Am Abend versammelte sich wie immer die Herrscherfamilie zum gemeinsamen Abendessen. Wie üblich waren Arano und seine Frau Isandra sowie Utaiy schon anwesend. Arano ging Berichte aus der Khasurn-Administration an seiner KSOL durch, während sich Utaiy mit Isandra leise unterhielt. Etwas später erschienen dann Adara und Onuk sowie sein Bruder Anor, dessen Frau Idary und Sohn Yemir. Als ihre Eltern Platz nahmen und ihr Karan in die Hände klatschte, als Zeichen für die Diener, das Essen aufzutischen, fragte Utaiy: „Warten wir nicht auf Merida?“

„Merida wird heute nicht am Abendessen teilnehmen“ erwiderte Adara und warf ihrem Mann einen verärgerten Blick zu.

Die Diener kamen und tischten viele Köstlichkeiten auf. Nachdem jeder sein Essen erhalten hatte, fragte Meridas Bruder Arano seinen Vater:

„Ich habe erfahren, dass heute ein Khasurnführer bei uns war. Du hast heute neue Geschäfte abgeschlossen? Warum bin ich nicht informiert worden?“

Onuk erwiderte: „Auch, ja. Ich habe mich persönlich darum gekümmert, da wir in Zukunft wesentlich enger mit dem Harkon-Khasurn zusammenarbeiten werden. Aber in erster Linie ging es um eine Art Antrittsbesuch!“

„Ein Antrittsbesuch für was?“ fragte Isandra und alle am Tisch blickten Onuk interessiert an.

Onuk warf einen längeren Blick zu Adara, die jedoch nicht reagierte. Anschließend wurde sein Gesichtsausdruck härter, bevor er antwortete:

„Das war Ultral I. del’moas Harkon, Khasurnoberhaupt und zukünftiger Schwiegervater von Merida!“

Schlagartig wurde es still, die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Einige Augenblicke herrschte Schweigen, bevor Arano erregt fragte: „Du verheiratest Merida mit diesen… diesen heruntergekommenen, dekadenten, unwürdigen Stand? Mit einem Khasurn, die es nicht Wert waren, einen Imperator zu stellen? Die alles, was unser Imperator sagt und tut, bereitwillig nacheifern?“

„Genug!“ sagte Onuk mit wütendem Ton und stand auf. „Auch ich unterstütze den Imperator. Ich will solche Worte in meinem Haus nicht mehr hören!“, warf seine Serviette wütend auf den Tisch und verließ den Speisesaal.

„Ich kann es nicht glauben, dass unser Karan mit diesem Khasurn ein verwandtschaftliches Verhältnis eingehen will“ sagte Arano verbittert zu seiner Mutter. „Alles, woran ich glaube, den von den Heroen Arkons vorbestimmten Weg des Adels, des Imperiums, die äonenalte Tradition unseres Khasurns, wird mit Füßen getreten“

„Sei still!“ erwiderte Adara verärgert. „Dein Karan ist Khasurnoberhaupt und hat es so mit dem Khasurnrat besprochen. Er hat nur das Wohl des Khasurns im Auge. Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen, wenn du sein Nachfolger werden willst. Und Merida hat diese Entscheidung provoziert und herausgefordert.“

Arano stand auf, während seine Wangenmuskulatur zuckte. „Mir ist der Appetit vergangen!“. Er nahm seine KSOL und verließ den Raum.

„Verdammt. Anstatt dass die Probleme weniger werden nehmen sie zu“ sagte Arano zu sich, ohne das ihm bewusst wurde, das er es laut aussprach. „Ich bin längst bereit, die Khasurnführung zu übernehmen, aber unser Karan will einfach nicht zurücktreten. Und jetzt dieser Ehevertrag! Ich kann es nicht glauben. Mit diesem niederem Adel“. Wütend stapfte er durch die Gänge.

* * *

einige Tontas später

Arano betrat das Schlafgemach, entledigte sich seiner Kleidung und legte sich zu Isandra ins Bett, die ein Buch las. Verbissen und noch immer verärgert über die Entscheidung seines Karans, eine Heirat mit einem Khasurn eines niedrigeren Standes zuzustimmen, tippte er auf seiner KSOL herum. Nach einiger Zeit legte Isandra ihr Buch zur Seite.

„Ich finde es unmöglich, was dein Karan macht. Wie kann man nur so einer Hochzeit zustimmen. Und dann auch noch mit diesen Khasurn!“

Arano erwiderte ärgerlich: „Nicht nur du verstehst es nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, das unser Karan nicht mehr ganz klar im Kopf ist“

„Und, was wirst du dagegen unternehmen?“

„Was soll ich schon dagegen machen? Er ist der Khasurnführer, nicht ich“ erwiderte Arano verbittert.

„Ich frage mich, was er als nächstes macht. Womöglich denkt er an eine noch engere Beziehung zu diesem Khasurn oder stellt diesem Imitat von einem Imperator Khasurnvermögen Verfügung“

Aranos Gesichtsmuskeln zuckten. Das, was Isandra gerade eben ausgesprochen hatte, war genau seine Befürchtung. Nach einigen Augenblicken erwiderte er: „Ich wusste garnicht, das du genauso von der derzeitigen politischen Situation denkst wie ich“

„Glaubst du, ich sehe nicht, wohin der Kurs des Imperiums und unseres Khasurns führt? Es müsste eine Revolution geben, die den Imperator und seine Gefolgsleute hinwegfegt und die alte Ordnung wiederherstellt“

„Du bist ziemlich radikal in deinen Ansichten, mein Schatz. Aber dein Wille und deine tiefverwurzelte Einbindung in die Adelshierarchie hat mir schon immer imponiert.“

„Und darum sage ich dir, dass du ein viel urteilsfähiger und kompetenterer Khasurnführer wärst als dein Karan!“

Arano überlegte eine Weile, bevor er seufzend antwortete: „Ja, du hast Recht. Aber leider muss ich warten, bis ich die Khasurnführung übernehmen kann“

„Wie lange willst du warten?“ fragte Isandra heftig. „Bis es zu spät ist? Der Khasurn keine Bedeutung mehr hat? Der Imperator uns noch mehr zustehende Rechte nimmt?“

„Was soll ich machen? Ich stehe für mich allein“ erwiderte Arano etwas kleinlaut. „Außerdem würde ich mich endgültig gegen meinen Karan stellen“

„Nein, das bist du nicht! Du bist ein Mann, der Großes vollbringen kann. Der den Khasurn wieder zu seiner angestammten Größe führen kann. Und du bist nicht allein. Ich bin an deiner Seite. Gemeinsam schaffen wir es.“

Isandra legte eine kurze Pause ein, bevor sie fortfuhr. „Stell dir vor, du wartest vielleicht noch 20 oder 30 Tai-Vothanii. Die ganzen Tai-Vothanii als Handlanger und Laufbursche deines Karans arbeiten, nicht selbst den Kurs des Khasurns bestimmen, sondern nur seine Befehle ausführen, statt selbst welche zu geben. Wo wird der Khasurn dann stehen? Haben sich dann alle von uns abgewandt? Ich sage dir, mit etwas Unterstützung von außen sollte es kein Problem sein, deinen inkompetenten Karan in die Schranken zu weisen und den Khasurn zu übernehmen. Alle warten darauf, dass du als designierter Khasurnführer den ersten Schritt vollziehst!“

„Du hast ja Recht, das sehe ich eigentlich genauso. Aber wer kann uns schon unterstützen?“

Isandra schmiegte sich an Arano an und sagte mit ruhiger Stimme: „Ich habe von einer Organisation gehört, die sich TDA nennt. Sie hat sich den hehren Zielen verschrieben, den Adligen ihre angestammten Rechte zurück zugeben, den Imperator zu beseitigen und die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen, so wie es seit Äonen war“

„Ja, von dieser Organisation habe ich auch schon gehört. Mir ist allerdings nicht ganz Wohl dabei. Sie soll, dafür, dass man ihre Unterstützung in Anspruch nimmt, auch Gegenleistungen erwarten“

„Ein gewisses Risiko musst du schon eingehen, um deine Ziele zu erreichen. Wie immer ist im Leben nichts umsonst. Man muss einfach abklären, was sie für ihre Unterstützung verlangen. Alles andere wäre Spekulation“

„Ja, du hast Recht. Ich versuche, mehr über diese TDA zu erfahren und was sie für ihre Unterstützung haben wollen“

Isandra war mit dem Verlauf ihres Gespräches sehr zufrieden. Endlich hatte sie ihren Mann da, wo sie seit Vothanii hinwollte. Innerlich dankte sie Onuk, dass er diese Ehe mit dem Harkon-Khasurn vereinbart hatte, nur deswegen war Arano heute so überaus empfänglich für ihre Manipulation gewesen.

Isandra kuschelte sich noch intensiver an Arano heran und sagte: „Komm, leg die KSOL zur Seite und mach das Licht aus. Und dann zeige mir, wie der zukünftige Khasurnführer seine Frau glücklich macht“

Über Aranos Gesicht legte sich ein wissendes Lächeln, während er die KSOL zur Seite legte und der Positronik befahl, das Licht zu löschen.

* * *