„Beruhigen? Wir haben so oft mit ihr geredet, und es hat nichts geholfen. Ich lasse nicht zu, dass sie uns mit ihrem Verhalten weiter schädigt. Nein, jetzt ist Schluss. Jetzt gibt es eine endgültige Lösung!“

„Was meinst du mit ‚endgültige Lösung‘?“ fragte Utaiy.

„Das weis ich noch nicht, aber ich lasse mir etwas einfallen“ erwiderte Onuk zornig. Onuk drehte sich um und verließ den Aufenthaltsraum in Richtung Arbeitszimmer.

Adara sah ihm hinterher, bis er außer Sichtweite war und drehte sich dann langsam zu ihrer Tochter Utaiy um.

„Wenn sie nach Hause kommt, müssen wir beide mit ihr sprechen. Sorge dafür, dass sie Onuk heute nicht mehr über den Weg läuft. So aufgebracht habe ich deinen Vater noch nie gesehen!“

* * *

Onuk saß in seinem Arbeitszimmer und brütete düster vor sich hin. ‚Das ganze Universum scheint sich momentan gegen mich verschworen zu haben. Warum, bei Arkons Heroen, warum muss ich so bestraft werden?‘ ging es ihm durch den Kopf. ‚Erst die Probleme mit der Erzförderung und den Ernteausfällen und jetzt auch noch Merida. Ach ja, ich wollte eigentlich Ultral anrufen‘ fiel es ihm wieder ein. Er hatte es fast vergessen über den Ärger mit Merida. Seufzend richtete er sich in seinem Sessel auf und wollte nach der KSOL greifen, um sich nochmals die damals mit Ultral vereinbarten Erzmengen und die dafür ausgemachten Zahlungen anzusehen, als seine Hand unbeabsichtigt über den Holo-Projektor strich. Ein 3D-Bild wurde projeziert, das seine Familie zeigt: seine über alles geliebte Frau, seinen Sohn Arano mit seiner Frau Isandra,… ‚Das ist die Lösung! Er musste sie verheiraten. Dann war er nicht mehr für sie verantwortlich, dann würde sie traditionsgemäß den Khasurn verlassen müssen. Leider interessierte sich kein potenzieller Kandidat für Merida. Aber hatte Ultral nicht durchblicken lassen, das er seinen Sohn gerne verheiraten würde?‘ Er dachte nach. Es würde auf Dauer weniger Probleme bereiten, seine Tochter mit dem ‚del Harkon‘-Khasurn zu verheiraten als sie weiterhin in seinem Khasurn zu behalten und sich immer wieder mit den Problemen, die sie verursachte, auseinander setzen zu müssen. Das würde dann Ultrals Sohn Charrut Problem sein.

Wenige Palbertontas später öffnete sich die Tür zum Arbeitszimmer und seine Frau Adara kam herein. Sie setzte sich im gegenüber an den Schreibtisch und fragte: „Jetzt erzähle mir, was geschehen ist“.

Onuk holte tief Luft und fing dann an, ihr von dem Anruf zu erzählen. Als er geendet hatte, dachte Adara kurz nach, bevor sie erwiderte: „Wir sollten mit ihr in Ruhe reden, wenn sie wieder im Khasurn ist“

„Nein! Die Zeit des Redens ist vorbei“ erwiderte Onuk heftig und stand dabei auf. „Wir haben es im Guten versucht, immer wieder mit ihr geredet. Wir haben Ausgangssperren verhängt, ihre Finanzmittel erheblich reduziert. Wenn du dich erinnerst haben wir, als wir der Meinung waren, bei der Erziehung versagt zu haben, sogar eine Erzieherin für Merida eingestellt. Es hat alles nichts geholfen. DU musst dir im Klaren sein, das Merida kein Kind bzw. keine Jugendliche mehr ist, sondern eine Frau von 22 Tai-Vothanii. Ich habe ihr viel durch gehen lassen, weil sie unsere Tochter ist, aber sie hat einen Punkt überschritten, der inakzeptabel ist. Sie schädigt nicht nur sich selbst, sondern auch uns und unseren Ruf!“

Adara musste ihm nach einigen überlegen insgeheim Recht geben, auch wenn es ihr nicht gefiel.

„Hast du dir schon etwas überlegt?“ fragte sie.

Onuk spürte aus der Fragestellung seiner Frau, das sie mit ihm letztendlich einer Meinung war.

Ruhiger erwiderte Onuk: „Mit 21 Tai-Vothanii ist es an der Zeit, dass sich eine Frau um eine feste Beziehung bemüht. Leider sieht das unsere Tochter nicht so. Darum bin ich der Meinung, dass wir ihr helfen sollten“.

„Du meinst, dass sie heiraten sollte?“ fragte Adara überrascht.

„Ja, der Meinung bin ich. Und ich denke, ich habe auch schon einen potentiellen Kandidaten!“

„Wen?“ fragte Adara. „Ich wüsste momentan keinen Khasurn, der sich für sie interessieren würde. Merida hat sich mit ihrem Verhalten für andere Adelsfamilien unattraktiv gemacht.“

„Ein Freund und Geschäftspartner von mir hat einen Sohn, der gegenwärtig auf einer Militärakademie geht. Er sucht für ihn eine passende Frau“

Als er sah, das Adara eine Frage stellen wollte, schüttelte er den Kopf und sagte: „Nein, du kennst ihn nicht. Es ist Ultral I. del Harkon

„Was?“ rief Adara schockiert. „Ein ‚del Harkon’…‘ Mehr hörte Onuk nicht von seiner Frau. Onuk sah sie im Sessel zusammensacken.

Mit schnellen Schritten war er bei ihr und versuchte, dass sie wieder zu sich kam. Nach wenigen Augenblicken musste er aber feststellen, dass ihm es nicht gelingen würde. Er rief: „Positronik, medizinischer Notfall. Bauchaufschneider Yurna soll sofort kommen! Es eilt!“

Nach wenigen Palbertontas wurde die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgestoßen und Bauchaufschneider Yurna und ein weiterer Mediker kamen schwer atmend hereingestürzt. Bevor der Diener, der vor der Tür stand, hinter ihnen die Tür wieder schloß, sah Onuk neugierige Blicke von anderen Khasurndienern.

Yurna und der Mediker untersuchten kurz Adara mit medizinischen Scannern. Dann entnahm Yurna seiner Tasche eine Injektionspistole und injizierte Adara ein Mittel. Er drehte sich zu Onuk um und sagte: „Die Hochedle Adara ist nur ohnmächtig. Sie wird gleich wieder zu Bewusstsein kommen. Was ist geschehen?“

„Wir haben miteinander gesprochen und nachdem ich ihr etwas mitgeteilt habe, war sie auf einmal nicht mehr ansprechbar“

Yurna wollte eine weitere Frage stellen, aber der abweisende Blick Onuks hielt ihn davon ab. Gleichzeitig regte sich Adara wieder. Flackernd öffneten sich ihre Augen.

„Was…Was ist geschehen? fragte sie.

Onuk kniete sich vor seine Frau, nahm eine Hand von von ihr in seine beiden Hände und erwiderte: „Liebling, wir haben über unsere Familie gesprochen, dabei hast du dich zu sehr aufgeregt“

„Ach ja, ich erinnere mich.“

Yurna nahm sein Messgerät zur Hilfe und überprüfte nochmals Adaras Zustand. An Adara gewendet sagte er: „Hochedle, Euer Kreislauf ist wieder stabilisiert. Aber Ihr solltet Euch etwas ausruhen, mindestens eine Tonta lang“

Anschließend packte er sein Messgerät wieder ein, verneigte sich vor Adara und Onuk und gemeinsam mit den anderen Mediker verließ er das Arbeitszimmer.

Adara wartete, bis sie und Onuk allein waren, bevor sie sagte: „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du unsere Tochter so bestrafen willst. Der ‚del Harkon‘-Khasurn… Du weist, welchen Ruf im Adel der ‚del Harkon‘-Khasurn hat. Auch nach so vielen Tai-Vothanii ist so etwas nicht vergessen“

„Ja, ich weis es. Aber wir sollten nach vorne blicken, nicht immer nur in die Vergangenheit. Seitdem der Khasurn damals herabgestuft und aus dem Tiga Ranton verwiesen worden ist, hat er sich immer loyal verhalten. Das damals ihr Khasurnoberhaupt der 335. Imperator wurde und als Serlan I., der Mörder, in die Geschichte einging, wird sicherlich niemand mehr bedauern als der ‚del Harkon‘-Khasurn selbst!“

Adara dachte eine Weile nach und Onuk ließ ihr dazu Zeit. Dann fragte sie: „Du hast diesen Ultral I. del Harkon als deinen Freund bezeichnet. Das wusste ich ja garnicht. Warum nicht? Wieso seit ihr befreundet?“

Onuk hatte befürchtet, das dieses Thema irgendwann zur Sprache kommen würde. Und ausgerechnet seine Frau stellte jetzt die entscheidende Frage. Er würde nicht darum herum kommen, es ihr zu sagen, obwohl Ultral und er vor vielen Tai-Vothanii vereinbarten hatten, darüber Stillschweigen zu bewahren.

Seufzend setzte er sich in einem anderen Sessel neben seiner Frau, nahm eine Hand von ihr in einer seiner Hände und begann von den lang zurückliegenden Ereignissen zu berichten.
„Damals, es müssen jetzt annähernd 45 Tai-Vothanii her sein, war ich im Elimor-Sektor für meinen Vater unterwegs. Mein Vater war damals noch Khasurnoberhaupt und ich musste für ihn Geschäfte vorbereiten wie Arano jetzt für mich. Ich hatte damals den Auftrag, für unsere Produktionsstätten neue Erzlieferanten zu finden. Irgendwann führte mich mein Weg in das Komthra-System im besagten Elimor-Sektor. Ich hatte meine Sondierungs­gespräche eigentlich schon beendet, als sich im Komthra- und im benachbarten Khalatur-System unzufriedene Arbeiter zusammenrottenden und etliche Verwaltungsgebäude der Erzfördergesellschaften stürmten; und ich mittendrin. Ich wurde von den Aufständigen gefangen und als Geisel genommen. Ultral wurde von seinem Vater in das Komthra-System entsendet und sollte diesen Fall lösen. Und anders als so mancher gedacht hatte, tauchte er nicht mit einem Trupp Raumlandesoldaten auf, sondern erschien alleine und unbewaffnet. Einige erklärten ihn für verrückt und lebensmüde, aber das war er ganz und gar nicht. Mit seiner nicht ungefährlichen Aktion erntete er den Respekt der Anführer des Aufstandes. Sie willigten nach einigerer Zeit ein, sich mit Ultral an den Verhandlungstisch zu setzen und wegen dem Aufstand ein Gespräch zu führen. Um was es sich dabei han­delte, kann ich dir nicht sagen. Ich weis nur soviel, dass als Resultat des Gesprächs etli­che führende Mitarbeiter der Erzfördergesellschaften verhaftet und ich freigelassen wurden. Ultral begnadete darauf hin die Anführer des Arbeiteraufstandes. Nachdem ich freigelassen wurde, führten Ultral und ich ein Gespräch. Er bat mich, über den Vorfall den Mantel des Schweigens zu legen; weitere negative Nachrichten im Adel würde für das ram­ponierte Ansehen des ‚del Harkon‘ Khasurns nicht gerade förderlich sein. Als Gegen­leistung bot er mir an, mit den ausgehandelten Preisen für die Erzlieferungen weiter herunter zu gehen. Ausserdem lud er mich für mehrere Pragos nach Harkon ein, aber ich lehnte ab. Ich wollte damals nach diesem Vorkommnis erstmal wieder nachhause. Etliche Tai-Vothanii später, als wir uns wieder begegneten und er die Einladung erneuerte, nahm ich sie an. So lernte ich damals ihn näher kennen und aus unserer Bekanntschaft wurde im Laufe der vielen Tai-Vothanii Freundschaft“