Begegnungen (Tartor 14.598 d. A.) – Teil 2
„Sie haben mein Wort. Ich war erst vor kurzem dort, habe die Anlage inspiziert und mich vom Zustand überzeugt.“
Ultral legte eine kleine Pause ein, bevor er weiter fortfuhr. „Sicherlich, hier und da müssten Dinge modernisiert werden, Positroniken aktualisiert oder ausgetauscht werden. Aber, alles in allem, sparen Sie eine Menge an Zeit und Geld. Grundsätzlich ist der Stützpunkt sofort einsatzbereit!“
Errenol dachte nach. Das Angebot war verlockend, sehr verlockend sogar. Und er kannte die militärischen Pläne des Imperators. Ein Stützpunkt dieser Größenordnung würde tatsächlich das militärische Machtgefüge in diesem Teil des Tai Ark’Tussan zu Gunsten des Imperators und damit auch für ihn beeinflussen. Und, der Imperator konnte es sich nicht leisten, das womöglich dieser Stützpunkt an die rebellische TDA ‚verloren‘ ging.
Er legte die KSOL vor sich auf den Tisch und fragte: „Wie kommt ein Khasurn Ihrer Größenordnung zu solch einem Objekt? Der Aufbau hat sicher viele Tai-Vothanii gedauert, abgesehen von den immensen Kosten?“
Ultral erwiderte seinen Blick und sagte: „Wir haben keinen Verwendungszweck mehr für diesen Stützpunkt. Er wurde damals, noch bevor Serlan I. abdanken musste, von Mitgliedern des Khasurns aufgebaut. Er war ursprünglich als ein Rückzugsort gedacht.“
Errenol sah Ultral abschätzend und nachdenklich an. Ultral konnte, auch wenn er kein Extrasinn hatte, fast die Gedanken erraten, die sich hinter der Stirn von Errenol verbargen. Darum sagte er energisch: „Zu meiner Sicherheit habe ich vorgesorgt. Ich kann Ihnen nicht die Koordinaten verraten, wo sich Hark’alor befindet. Eine Gefangennahme wäre also sinnlos und würde nur dafür sorgen, dass es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommt!“
Errenol nickte verstehend und ein wissendes lächeln huschte kurz über sein Gesicht. Er fasste einen Entschluss. „Ich kann nichts versprechen, aber ich werde persönlich mit dem Imperator über diese Angelegenheit sprechen. Ich werde Sie kontaktieren, sobald ich das Gespräch geführt habe!“
Ultral hatte nichts anderes erwartet. Gemeinsam mit dem Shekur stand er auf. Errenol begleitete Ultral bis zum Ausgang seines Büros und zum Abschied reichten sie sich die Hände.
Als Ultral in den Gang trat fragte Errenol von hinten: „Sie haben mir noch nicht verraten, wer auf die Raumakademie gehen soll!“
Ultral drehte sich um und erwiderte: „Ab jetzt für alle Zeiten jeder Nachkomme ersten Grades des obersten Harkon-Khasurns, einschließlich meines Sohnes!“
In Errenols Gesicht zuckten die Gesichtsmuskeln, als er versuchte, nicht zu lachen. ‚Was für ein gewiefter Geschäftsmann dieser Ultral del Harkon doch war. Mit diesem einen Satz hatte das Khasurnoberhaupt den Ausgangspunkt für einen gesellschaftlichen Neuanfang geschaffen‘.
Er nickte verstehend und gab der Ordonanz, die in der Nähe gewartet hatte, ein Zeichen, um Ultral del Harkon fortzuführen, bevor er sich in sein Büro zurückzog.
* * *
Ultral wurde etwas unsanft aus seinen Erinnerungen geholt. Onuk musste ihn angestoßen haben, denn dieser fragte: „Was ist los mit dir? Du hast überhaupt nicht reagiert, als ich dich jetzt zweimal ansprach“.
Ultral I. schloß kurz die Augen und wischte sein Haar mit einer Bewegung nach hinten, bevor er antwortete: „Tut mir leid. Ich musste kurz an die Vergangenheit denken…“.
Onuk sah in fragend an, aber Ultral überging die unausgesprochene Frage seines Freundes, indem er sagte: „Laß uns lieber etwas von erfreulichen Dingen reden. Wir haben derzeit einen Überschuß an Erzförderung. Hättest du Interesse, mir den Produktionsüberschuss abzukaufen?“.
Onuk nickte verstehend und erwiderte: „Wieviel Überschuss für wieviel und für wie lange?“ und aktivierte seine KSOL, um die Werte einzugeben.
* * *
einige Berlanprags später im Messon im Kasurn de Ariga
Die Hiobsbotschaften für Onuk de Ariga rissen nicht ab. Vor einem Berlenprag kam die Nachricht aus Sektor Erynu vom Planeten Zhean, das die langandauernde Trockenperiode einen Großteil der Ernte zunichte machen würde. Gestern Abend erreichte ihn dann die Meldung dass sich auf dem Planeten Verol ein starker Vulkanausbruch ereignet hatte. Der Vulkanausbruch war an sich kein Problem, da er sich weit genug von allen zivilisatorischen Ansammlungen befand, aber er hatte Auswirkungen auf verschiedene Erzförderstätten und Bergwerke. Viele verherrende Einstürze brachten die Erzförderung praktisch zum erliegen. Die Produktionsausfälle sowohl auf Zhean wie auch von Verol würden hohe Vertragsstrafen nach sich ziehen, wenn er nicht innerhalb der nächsten Berlenprags die vereinbarten Tonnagen liefern konnte.
Die Khasurn-Positronik hatte errechnet, wie hoch die Produktionsausfälle sein würden und wie lange es dauern würde, bis die Erzförderung wieder anlaufen würde. Onuk traute seinen Augen nicht, als er die Zahlen sah. Sie deuteten noch höhere Verluste an, als er sich ausgemalt hatte.
‚Ich kann von Glück reden, das ich von Ultral die überschüssige Erzförderung für die nächsten fünf Tai-Vothanii aufgekauft habe‘ ging es ihm durch den Kopf. ‚Aber das wird nicht reichen, um die ausgefallene Erzförderung halbwegs auszugleichen. Ich brauche noch erheblich mehr Erz. Vielleicht kann Ultral mir da entgegen kommen!‘. Er wollte gerade die Positronik befehlen, ihm mitzuteilen, welche Zeit gerade auf Harkon war, damit er Ultral per Hyperfunk kontaktieren konnte, als sich die Positronik bei ihm meldete:
„Zhdopandel, Khasurnoberhaupt Augh Agh’moas Zhalyemor wünscht Euch in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen!“
‚Unser wichtigster Handelspartner ruft an? Was kann er wollen? Wir haben doch erst vor einigen Berlenprags neue Verträge geschlossen!‘ fragte er sich, laut antwortete er: „Durchstellen!“
Er trat vor dem großen Monitor, der sich gerade aktivierte und zeigte Augh Agh’moas Zhalyemor, einen alten Arki. Aughs Gesichtsausdruck wies sonst immer eine vornehme, edle Zurückhaltung auf, von der jetzt nichts zu sehen war. Im Gegenteil, sein Gesicht drückte unübersehbar Ärger und Zorn aus.
„Zhdopanda, ich grüße Euch“ begrüsste Onuk seinen wichtigsten Geschäftspartner. „Wie kann ich…“ Weiter kam er nicht. Augh schnitt mit einer gebieterischen Handbewegung seinen Redefluß ab.
Mit einer Stimme, die unterdrückte Wut durchklingen ließ, sagte Augh Agh’moas Zhalyemor:
„Zdhopandel, gestern Abend war Eure Tochter Merida auf einem für unseren Khasurn wichtigen Empfang. Bedeutende Handelspartner und ranghohe, aus dem direkten Umfeld des Imperators stammende Adlige waren anwesend. Und Eure Tochter hat es geschafft, unter dem Einfluß von Alkohol einige wichtige Personen zu beleidigen. Ich lasse es nicht zu, dass eine berauschte Tochter aus dem Tai-Khasurn unseren Ruf schädigt. Ich sage es Euch ohne viel herum zu reden: Löst das Problem, ansonsten sehe ich mich gezwungen, unsere Geschäftsbeziehungen aufzulösen!“
Bevor Onuk etwas erwidern konnte, wurde die Verbindung von Augh Agh’moas Zhalyemor beendet.
In Onuk kochte die Wut hoch. Wut und Zorn breiteten sich in ihm aus. Mit schnellen Schritten verließ er sein Arbeitszimmer und ging zum Aufenthaltsraum, wo er Merida vermutete. Noch bevor er den Aufenthaltsraum erreicht hatte, rief er mit wütender Stimme nach ihr. Als er in den Aufenthaltsraum eintrat, saßen dort seine Frau Adara und seine Tochter Utaiy und blickten ihn verwundert an.
„Wo ist Merida? Wo ist die Wahnsinnige?“ brüllte er.
Seine Frau sprang auf und fragte erschrocken: „Was ist geschehen?“
„Was geschehen ist?“ rief Onuk. „Eben rief mich Augh Agh’moas Zhalyemor an und drohte mir, alle Geschäftsverbindungen aufzulösen, weil unsere Tochter wieder einmal ihre Eskapaden getrieben hat und bei ihm gestern Abend ranghohe Mitarbeiter des Imperators beleidigt hat. Wo ist sie?“
„Sie ist nicht hier. Ich nehme an, sie wird bei einer Freundin übernachtet haben. Aber jetzt beruhige dich erst mal! Wenn sie kommt, werden wir ins Gewissen reden.“