„Ich bin mit dem Khasurnrat und dem Khasurnoberhaupt der ‚de Ariga‘ übereingekommen, das es für beide Seiten von Vorteil wäre, wenn unsere wirtschaftliche Verbindung durch eine Heirat weiter gefestigt und intensiviert werden würde“.

Charrut sprang von der Couch auf und blieb vor seinem Karan stehen.

„Was? Du willst mich verkuppeln und zwingen, jemand zu heiraten, den ich noch nicht einmal kenne?“ stieß er erregt hervor.

Sein Karan sah ihn direkt in die Augen und erwiderte hart: „Wenn du es so negativ sehen willst: ja. Es ist beschlossen. Auch der Khasurnrat hat dem zugestimmt. Alle notwendigen Schritte wurden bereits durchgeführt und auch vom Amt für Adelsangelegenheiten auf Gos’Ranton wurde der Ehe zugestimmt.“

Charrut war erregt und Wut kochte in ihm hoch. Mit einer solchen Entwicklung hätte er nie gerechnet. Instinktiv ballten sich seine Hände zu Fäusten.

„Und wenn ICH dem nicht zustimme? Den Ehevertrag nicht unterzeichne? Was dann?“ erwiderte Charrut wütend.

Sein Karan machte eine abweisende Handbewegung und erwiderte: „Du bist mein Sohn und genießt alle Privilegien. Was, wenn du sie nicht mehr hättest und auch keine finanziellen Mittel mehr?“

„Das ist Erpressung!“ grollte Charrut zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und Ultral konnte die Wut spüren, die in seinem Sohn brodelte.

„Nein. Das ist eine Entscheidung, die ich zum Wohle des Khasurns und zu deinem Wohl getroffen habe!“ sagte Ultral mit harter Stimme. Ultral holte aus seiner Jackentasche eine KSOL hervor und reichte sie Charrut, aber Charrut ignorierte die KSOL und stand weiterhin wütend und mit geballten Fäusten seinem Karan gegenüber. Darum legte Ultral sie auf den Couch-Tisch.

Ultral deutete auf die KSOL und sagte: „Hierauf findest du alle relevanten Informationen zum Khasurn ‚de Ariga‘ und zu deiner künftigen Frau, Merida de Ariga.“ Ultral wandte sich um und ging zur Eingangstür. Nachdem sich die Eingangstür geöffnet hatte und er Charruts Wohnbereich schon fast verlassen hatte, blieb er stehen, drehte sich nochmal um und sagte: „Übrigens, die Familie ‚de Ariga‘ wird uns zu unserer Hochzeit besuchen kommen. Damit ihr euch kennenlernt, werden sie bereits übermorgen eintreffen. Nachdem, was ich von Merida erfahren habe, bin ich der Meinung, das sie ganz gut zu dir passt!“. Danach drehte sich Charruts Vater um und verließ endgültig den Wohnbereich.

Charrut stand noch immer mitten in seinem Aufenthaltsraum. Unbeschreibliche Wut auf seinen Karan beherrschte ihn, die ein Ventil suchte. Vor lauter Wut aufstöhnend trat er nach der kostbaren Holzvitrine, die neben der Couch stand und in der er wertvolle Andenken aufbewahrte. Immer und immer wieder trat er gegen das wertvolle Mobiliar, bis es in seine Einzelteile auseinander gefallen war und er seine Wut abreagiert hatte.

Langsam setzte er sich wieder auf die Couch und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. ‚Was weis mein Karan schon von meiner Liebe zu Onista?‘ fragte er sich. ‚Er hatte sie geliebt und von einem Moment zum anderen war sie ihm genommen worden. Natürlich hatte er ihr die Totenwache gehalten, so wie sie es sicherlich gewollt hätte und wie es auch seit Äonen Tradition war. Die Totenwache war dazu da, um für den Toten bei den She’Huhans um Vergebung zu bitten und für den Lebenden, um einen Neuanfang zu wagen. Und trotzdem: die Wunde in seinem Herzen war noch immer da, zu frisch, viel zu nah, um sich Gedanken um eine andere Frau zu machen. Und jetzt kam sein Karan auf die wahnwitzige Idee, dass es Zeit wurde, an Familie und vielleicht noch Kinder zu denken‘

Charrut nahm die Hände von seinem Gesicht und sah sich den Trümmerhaufen an, der von der Vitrine übriggeblieben war. Aufseufzend stand er auf und kniete sich bei dem Trümmerhaufen nieder, um seine Andenken und Erinnerungsstücke heraus zu suchen…

* * *

Als er am nächsten Morgen frisch geduscht und angezogen den Schlafbereich verließ und in den Aufenthaltsraum kam, fiel sein Blick auf die KSOL, die sein Vater auf dem Couch-Tisch liegengelassen hatte. Langsam, nur widerstrebend nahm er sie auf und ging in sein Arbeitszimmer nebenan. Dort setzte er sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch und aktivierte das Gerät.

Charrut del Harkon

Zuerst rief er die allgemeinen Informationen ab, die über den Khasurn ‚de Ariga‘ vorhanden waren, erst danach sah er sich die Bilder und Informationen seiner zukünftigen Frau an. Nach dem er alles angesehen hatte, schloss er die Augen. Wie kam sein Karan auf die Idee, ihm zu sagen, die Frau würde zu ihm passen? Er öffnete wieder die Augen und las nochmals. Ihr Name war Merida de Ariga, 1,65 Quars groß, 14.576 da Ark in Tanshim auf Ariga geboren. Den auf der KSOL vorhandenen Holobildern nach besaß sie goldrote Augen, weißes, rückenlanges Haar, war schlank und sah zugegebenermaßen hübsch aus.

Charrut deaktivierte die KSOL und legte sie neben sich auf die Couch, während er sich zurücklehnte und nachdachte…

Trotz der vielen Tontas, die bereits vergangen waren, seit dem sein Karan ihm eröffnet hatte, das er für ihn eine Frau zum Heiraten ausgewählt hatte, fühlte er sich noch immer von seinem Karan überrumpelt und hintergangen. Die Art und Weise, wie sein Karan ihm die Hochzeit näher gebracht hatte, sprach Bände. Sein Karan und er hatten nie ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander gehabt. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass sein Bruder Ultral II. der Lieblingssohn von Ultral gewesen war. Abgesehen von der Tatsache, dass er wusste, dass diese Art der Eheschließungen im Tai Ark’Tussan und im Adel in dieser Epoche immer weiter um sich griff, fühlte er sich noch nicht bereit dazu, sein Leben schon jetzt in einer vorgegebenen Bahn verlaufen zu lassen. In vielen, vielen Tai-Vothanii vielleicht, aber jetzt schon? In gut drei Tai-Vothanii würden die Abschlussprüfungen auf der Raumakademie stattfinden und dann würde sich entscheiden, falls er bestehen sollte, welchen weiteren Weg sein Leben nehmen könnte. In reizten ja nicht nur die ARK SUMMIA, sondern auch gefährliche Einsätze in der Flotte, er konnte sich auch gut vorstellen, für die Tu-Ra-Cel zu arbeiten. Und gefährliche Einsätze vertrugen sich nun einmal nicht mit einer Ehe, womöglich noch mit Kindern. Andererseits war er noch auf die finanzielle Unterstützung seines Khasurns, seines Karans angewiesen. Wenn die wegfallen sollte, weil er sich weigerte, diese Merida de Ariga zu heiraten, hatte er keine Perspektive mehr, auf der Raumakademie von Varynkor zu bleiben. So oder so ähnlich dachte wohl sein Karan. Er wusste es besser. Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Er hatte immer wieder etwas von dem Konto abgezweigt, das sein Karan ihm damals eingerichtet hatte, als er zur Raumakademie aufbrach. Zusätzlich gab es noch das Erbe seiner Fama, die er nie kennenlernt hatte. Von ihr hatte er genügend geerbt, um zusammen mit dem geheimen Konto einige Tai-Vothanii weiterhin auf der Akademie bleiben zu können. Sein Karan würde sich wundern, wenn er die Ehe mit dieser Merida de Ariga ablehnte. Er ließ den Gedanken etliche Palbertontas durch seinen Kopf kreisen, dann hatte er sich entschieden.

* * *

Charrut warf einen Blick auf sein Vot und stellte erstaunt fest, dass er fast eine Tonta lang über eine ‚Problemlösung‘ nachgedacht hatte und nicht nur Palbertontas, wie er vermutet hatte. Er stand auf, nahm die KSOL und verließ sein Wohnbereich. Nach wenigen Paltortontas hatte er das von seinem Karan bevorzugte Arbeitszimmer erreicht und trat ohne zu klopfen ein. Wie er erwartet hatte, saß sein Karan hinter dem voluminösen Arbeitstisch und unterhielt sich gerade mit Rhar, dem Khasurn-Laktroten, der in einem Sessel vor dem Arbeitstisch saß. Sein Karan unterbrach das Gespräch, als er Charrut erblickte und Rhar drehte sich um, um zu sehen, wer in den Raum trat. Als er Charrut erkannte, stand er auf und verneigte sich.

„Guten Morgen, Zdhopandel“ sagte Rhar.

„Guten Morgen Rhar. Bitte verlassen Sie den Raum. Ich habe mit meinem Karan etwas zu besprechen.“

Irritiert wandte sich sich Rhar um und sah Ultral I. fragend an.

Ultral ahnte, worum es ging und hatte auch die KSOL in Charruts Hand erblickt. Darum nickte er Rhar zu und sagte zu ihm: „Schon gut, Rhar. Wir sprechen später weiter“.

Rhar Nyat verneigte sich leicht und verließ den Raum. Nachdem Rhar den Raum verlassen hatte, ging Charrut zu dem Sessel, in dem bis vor wenigen Augenblicken Rhar gesessen hatte und nahm dort Platz. Sein Karan sah ihn gespannt an, wie er sich wohl entschieden hatte.

Charrut ergriff das Wort: „Nach unserem gestrigen Gespräch hatte ich die Zeit, in Ruhe darüber nachzudenken.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Ich bin nicht gewillt, dieser arrangierten Ehe zuzustimmen! Mit anderen Worten: ich werde den Ehevertrag nicht unterschreiben.“

Ultrals Gesichtsfarbe wurde eine Idee blasser. Damit hatte Ultral nicht gerechnet: sein Sohn wagte es, sich gegen ihn aufzulehnen! Aus seiner Überraschung wurde Zorn. Ruckartig stand er auf, stützte sich schwer auf seinem Schreibtisch ab und erwiderte wütend und mit lauter Stimme: „Du wagst es, meinen Wunsch abzulehnen? Mir, deinem Karan? Wo ich alles Mögliche getan habe, damit du auf diese Akademie gehen kannst?“

Auch Charrut stand auf und wieder standen sie sich im Zorn gegenüber. „Was hast du schon für mich getan? Nichts, garnichts!“ erwiderte Charrut heftig.

„Wenn ich damals nicht zum Shekur ‚Agh Loksomh‘ gegangen wäre, würdest du noch heute hier im Khasurn sitzen und nicht auf der Akademie. Und dieser Ehevertrag wäre nie zustande gekommen, wenn du nicht so dumm gewesen wärest, dich mit Onista, einer Essoya, einzulassen und dich von Auris zu trennen!“

Jetzt war es Charrut, dessen Gesichtsfarbe blasser wurde. „Woher weißt du das? Ich habe nie über Auris gesprochen! Und was hast du mit dem Shekur besprochen? fragte Charrut leiser.
Ultral konnte sich ohrfeigen. In seiner Wut hatte er seinem Sohn mehr erzählt, als er wollte, aber das war jetzt auch schon egal. Mit einer herrischen, wegwischenden Geste erwiderte er: „Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, was auf Varynkor vor sich geht? Ich bezahle ein kleines Vermögen für deine Ausbildung und dafür erhalte ich auch alle relevanten Informationen. Ich war glücklich, als ich hörte, dass eine Freundschaft dich mit Auris verband. Auch wenn sie nur eine Angehörige des Kator-Khasurns ist, ist sie doch die Nichte des Shekurs Errenol agh Loksomh. Sie wird von ihm protegiert, seine wachsamen Augen ruhen auf ihr. Und der Shekur ist ein enger Vertrauter des Imperators. Hast du dich nie gefragt, warum ihr dem Shekur zugeteilt seid? Warum eure Aufträge in letzter Zeit so gefährlich wurden? Mit dem Shekur hatte ich damals, vor vielen Tai-Vothanii ein Geschäft abgeschlossen, damit du auf die Akademie von Varynkor gehen durftest. Warum, glaubst du, wurde bei dir für den Khasurn der Harkonii eine Ausnahme gemacht? Du kennst doch die Geschichte unseres Khasurns. Wir mussten damals nur dafür sorgen, dass du freiwillig auf die Akademie wolltest. Und dafür hat Chamah’ney gesorgt. Sie hatte solange auf dich eingeredet, dass es dir vorkam, als wäre es deine Idee gewesen… Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du damals zu mir gekommen bist und mich versucht hast zu überreden, dich auf die Akademie gehen zu lassen.“ Langsam setzte sich Ultral wieder hinter seinem Schreibtisch. Er fragte sich, ob es richtig gewesen war, seinem Sohn gerade jetzt dieses Geheimnis zu offenbaren. Vermutlich würde die Ablehnung seines Sohnes zur geplanten Hochzeit nur noch heftiger ausfallen.