Ti’Ghen, Zdhopanda“ bestätigte die Stationspositronik.

Wenige Palbertontas später betrat ein in schwarzer Uniform gekleideter Arki das Büro und salutierte militärisch exakt. Das Gesicht des Arkis war von Narben unterschiedlicher Größen und Stärken geprägt. Rodir de Qua’chmor kannte die Geschichten, die sich hinter vorgehaltener Hand über Tanat erzählt wurden. Er wusste nicht, ob sie stimmten, aber er wusste, dass er sich auf Tanat verlassen konnte. Dieser würde jeden Auftrag erfüllen, auch wenn es bedeutete, dass er dabei sterben würde. Rodir de Qua’chmor empfand das vernarbte Gesicht abstoßend. Jeder halbwegs vernünftige Arki hätte sich schon lange einer Schönheitsoperation unterzogen, aber eine der Geschichten, die er von Tanat Kelad gehört hatte besagte, dass dieser seine Narben als ‚Markenzeichen‘ betrachtete.

Rodir de Qua’chmor deutete auf einen Sessel vor seinen Schreibtisch und sagte: „Nehmen Sie Platz“

Nachdem sich Tanat Kelad gesetzt hatte, beugte sich Rodir auf seine Unterarme stützend in Richtung Tanat nach vorne und sagte: „Ich habe einen heiklen Auftrag für Sie. Wichtig bei diesem Auftrag ist es, das die beiden Subjekte, um die es hier geht, unversehrt in unsere Hände gelangen. Das eine Subjekt ist die Schwester eines neuen Mitglieds unserer Organisation, eine junge Frau. Diese muss unverletzt in unsere Hände gelangen, egal, was passieren mag“. Er dachte kurz nach. Wenn er wollte, dass sein Auftrag erfolgreich sein konnte, musste er Tanat etwas von seinem ‚privaten‘ Plan erzählen, nur so konnte er Gewissheit haben, das der Auftrag in seinem Sinn erfolgreich abgeschlossen werden konnte. „Das andere Subjekt will ich haben. Ich habe noch eine Rechnung offen mit dieser Person!“

„Wer, wann und wo?“ fragte Tanat mit einer rauen, emotionslosen Stimme. Rodir kannte Tanat soweit, dass er sich nicht von dessen gefühlskalter Miene und Stimme täuschen ließ. Er hatte Tanat bei einigen Einsätzen kennengelernt. Wenn es darauf ankam, wurde dieser zu einem sehr gefährlichen Gegner und wenn er die Gelegenheit dazu bekam, seinen Gegner zu foltern, würde er seine ganze Wut und Hass, woher diese auch herstammen mochte, an den Gefangenen auslassen.

Rodir lehnte sich in seinem Sessel zurück und aktivierte den 3D-Holoprojektor vor sich auf dem Schreibtisch. Die Daten der beiden Personen tauchten wie aus dem Nichts direkt über dem Schreibtisch auf. Während Tanat die ersten Daten und Bilder überflog, erläuterte Rodir diese.

„Der Auftrag lautet, die Ehe zwischen diesen beiden Subjekten zu verhindern. Die Frau heisst Merida de Ariga. Sie wird, zusammen mit ihrer Mutter und anderen Angehörigen am 12. Prago to Ansoor auf Harkon im Elimor-Sektor erscheinen, um ihren zukünftigen Mann, unser zweites Subjekt, kennen zulernen“. Rodir legte eine kurze Pause ein, damit Tanat die Möglichkeit erhielt, die Informationen zu verarbeiten. Als dieser kurz nickte, fuhr er fort: „Der Mann, Charrut del Harkon, Sohn des Khasurnoberhaupts Ultral I. del’moas Harkon, wird zu dieser Zeit auch auf Harkon weilen. Derzeit besucht er wie etliche Essoya, Brass’cooi oder Zayna die vom Usurpator Saran III. eröffnete Raumakademie Varynkor. Im Ansoor sind wie bekannt Akademieferien und er wird seine Heimatwelt besuchen, um Merida de Ariga zu begegnen.“

Rodir legte eine kurze Unterbrechung ein, bevor er Tanat direkt ansehend fortfuhr: „Wenn dieser Charrut del Harkon von uns gefangen genommen wird und für immer verschwindet, wird es keine Ehe geben und wir haben unseren Auftrag erfüllt.“

„Das ist machbar.“ erwiderte Tanat gedehnt. „Vorausgesetzt, wir können nahe genug an ihn heran kommen. Das wird allerdings auf seiner Heimatwelt schwierig sein. Wir wissen nicht, ob er den Khasurn verlässt und wenn ja, wann“

Rodir deaktivierte den 3D-Holoprojektor. „Genau das ist der Schwachpunkt an dem Auftrag. Und selbst wenn uns Zeitpunkt und Ort bekannt sind, muss es sehr schnell gehen. Der Sohn eines Khasurnsoberhauptes verschwindet nicht einfach so. Sein Vater wird, wenn er davon erfährt, die Khasurnsicherheit, die Systemflotte und alle anderen Ressourcen aufbieten, um seinen Sohn zu befreien. Die Aktion muss professionell und schnell durchgeführt werden. Darum habe ich Sie ausgewählt! Gehen Sie davon aus, dass Sie wenig Zeit haben werden, dieses Subjekt zu entführen. Nehmen Sie ihre besten Männer und Frauen, um diesen Auftrag auszuüben! Alle Informationen zu den beiden Subjekten, deren Khasurne, Hintergründe usw. finden Sie in Ihrem Informationsspeicherbereich“.

Tanat Kelad nickte und stand auf. „Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich den geeigneten Einsatzplan ausgearbeitetet habe“.

Rodir nickte und entließ Tanat mit einer Handbewegung. Als Tanat die Tür öffnete, um das Büro von Rodir de Qua’chmor zu verlassen, sagte dieser von seinem Schreibtisch aus: „Und Tanat, der Auftrag ist mehr als wichtig. Vermasseln Sie ihn nicht!“

Tanat sagte nichts dazu, sondern verließ entgültig das Büro.

* * *

Anfang Ansoor

Endlich Akademieferien. Wie üblich im Ansoor war Charrut zurück geflogen nach Harkon. Die letzten Vothanii waren für ihn emotional mehr als schwierig gewesen. Seit Onista bei einem Gleiterabsturz zusammen mit ihrer Schwester Sidona ums Leben gekommen war, durch eine Auftragsmörderin herbeigeführt, war er nicht mehr der alte, so wie ihn seine Freunde von früher kannten. Er hatte Onista geliebt, hatte sich eine Zukunft mit ihr vorgestellt, trotz der vorhandenen Ablehnung seitens seines Karans. Aber das war Vergangenheit. Zurück blieben nur seine Gefühle und schmerzhafte, wenn auch schöne Erinnerungen, alles andere hatte der Fluß der Zeit langsam in sich aufgesogen. Seither war er mehr in sich gekehrt, das Leben bot ihm nur noch selten Anlässe zum Glücklichsein.

Seitdem er wieder auf Harkon weilte, hatte er sich zurückgezogen. Er verließ seinen Wohnbereich nur selten, Anrufe vieler ortsansässiger Freunde ignorierte er, genauso auch die seines besten Freundes Kormitur. Er brauchte einfach Zeit, sich der Tatsache zu stellen, das Onista nur noch in Erinnerungen bei ihm sein würde. Er hoffte, dass sein Aufenthalt auf Harkon sein physisches Gleichgewicht wieder herstellen konnte. Das Ende der Ausbildung war nahe und gerade jetzt konnte er sich keine große Ablenkung leisten. Er hatte sich vorgenommen, die schmerzhaften Erinnerungen an die letzten Vothanii in den hintersten Winkel seines Herzens zu verbannen. Aber die Diskrepanz zwischen dem Verstand und seinen Gefühlen ließen sein Zhy unausgeglichen und schwach erscheinen…

* * *

6. Prago to Ansoor 14.598 da Ark

Ultral war auf den Weg zu Charruts Wohnbereich. Er wusste, wie sein Sohn reagieren, wie er über ihn denken würde. Das er vielleicht gefühlskalt Entscheidungen über dessen Kopf hinweg traf, die das weitere Leben seines Sohnes beeinflussen würden. Aber dem war nicht so! Er war Khasurnoberhaupt und trug eine schwere Verantwortung nicht nur den Elimor-Sektor und aller Harkonii-Khasurns, sondern auch familiär und im Gefüge des Adels. Und auch er hatte Träume und Ziele. Ein Ziel hatte er erreicht, das endlich wieder jeder Nachkomme ersten Grades des obersten Harkon-Khasurns auf eine Raumakademie gehen dürfte, einschließlich seines Sohnes. Und jetzt hatte er ein weiteres Ziel fast erreicht, nämlich, wenn sein Sohn eine Frau aus einem höheren Adel heiraten würde. Es war wie ein Geschenk der She’Huhans gewesen, als ihn sein Freund und Geschäftspartner Onuk de’moas Ariga vor einiger Zeit angeboten hatte, dass sein Sohn dessen Tochter Merida heiraten könnte.

* * *

Von der Eingangstür seines Wohnbereichs erklang das melodische Klingelsignal. Charrut stand von der Couch auf und rief: „Öffnen!“.

Die Tür öffnete sich und sein Karan trat herein. Charrut war überrascht. ‚Wann hat mich mein Karan das letzte mal in meinem Wohnbereich aufgesucht?‘ fragte sich Charrut, während er eine einladende Geste machte.

Sein Karan trat ein und nachdem sich die Eingangstür geschlossen hatte, blieb er im Aufenthaltsraum stehen, sah sich kurz um und sagte dann mit unbeweglicher Miene: „Ich habe dir eine Entscheidung mitzuteilen!“

Charrut sah seinen Karan überrascht an, setzte sich aber wieder auf seine Couch und sagte: „Ich höre.“

Sein Karan sah ihn kurz abschätzend an und sagte dann: „Du hast dich verändert. Früher warst du interessiert an deine Umgebung, nicht so verschlossen, nicht so in dich gekehrt. Ich sehe nicht mehr den Sohn von früher. Ich kann verstehen, dass dich der Tod von Onista schwer getroffen hat. Glaube mir, ich kann es verstehen. Als deine Mutter starb, kurz nach deiner Geburt, habe ich auch geglaubt, die She’Huhans hätten sich von mir abgewandt. Aber es ist eine Prüfung. Eine Prüfung, wie man das Leben meistert! Ich habe damals auch Zeit gebraucht, über den Verlust hinweg zukommen, aber bei dir sehe ich leider nicht, dass sich das ändert. Seit etlichen Vothanii kommst du heim und verkriechst dich in deinen Wohnbereich. Selbst dein Freund Kormitur erreicht dich nicht.“. Ultral machte eine kurze Pause, um Charrut Zeit zum Nachdenken zu geben. Nach einigen Palsartontas fuhr er fort: „Ich habe daher beschlossen, jetzt, nachdem du demnächst 27 Tai-Vothars alt wirst, das es für dich Zeit wird, eine Familie zu gründen und zu heiraten!“
Charrut glaubte, sich verhört zu haben. Er sah seinen Karan verwirrt an. „Was meinst du mit ‚habe ich beschlossen‘?“