Begegnungen (Tartor 14.597 d. A.) – Teil 1
* * *
Onista und Charrut hatten vor wenigen Palbertontas das Passagierraumschiff auf dem Raumhafen Harkon-Etset verlassen und waren in ein Gleitertaxi gestiegen. Kaum hatte Charrut als Ziel den Harkon-Khasurn angegeben, schwang sich der Gleiter in die Lüfte. Onista schaute interessiert zur Stadt hinunter. Charrut erwähnte dazu: „Das ist unsere Hauptstadt Yephroth. Sie hat annähernd 18 Mio. Einwohner. Es gibt auf Harkon viele Kleinstädte, aber nur vier weitere Großstädte wie Yephroth. Das ganze Harkon-System bietet Lebensraum für rund 420 Millionen Arkii“.
Onista nickte zu Charruts Erklärung, beobachtete aber weiter die Stadt, über die der Kurs des Gleitertaxis führte. Kurz darauf ließen sie die Stadt hinter sich und nach einiger Zeit zeigte Charrut Ihr den Kelch des Harkon-Khasurns, der langsam am Horizont zu erkennen war.
Nach drei Palbertontas waren sie am Ziel. „Wie riesig Euer Khasurn ist“, sagte Onista überrascht, als der Gleiter beim Landeanflug fast das komplette Gebäude umrundete.
„Ja, da hast du Recht.“, erwiderte Charrut.
Der Gleiter landete auf dem Gleiterdeck und als sie ausstiegen, kam vom Antigrav-Schacht der Khasurn-Laktrote und einige Bedienstete. Der Khasurn-Laktrote war ein älterer Arki, dessen strengen Gesichtszüge und Bewegungen zeigten, dass er in seinerFunktion voll und ganz aufging.
„Zdhopandel. Erfreut, Euch und Eure Begleitung nach so langer Zeit wieder zuhause begrüßen zu dürfen“, sagte Rhar Nyat und verneigte sich dabei formvollendet.
„Wir sind auch froh, nach langer Zeit wieder heim zukommen, wenn auch nur für kurze Zeit, Rhar. Mein Vater?“ fragte Charrut.
„Zdhopandel , Euer Vater ist im Garten mit seinem Gast Onythia de’moas Chihan“, erwiderte Rhar, verneigte sich zum Abschied und schritt dann zu den Bediensteten, die bereits dabei waren, das Reisegepäck aus dem Gepäckteil des Gleiters herauszuholen.
Charrut wusste, das Rhar sich persönlich um die Reisesachen von ihnen kümmern würde. „Komm!“ sagte Charrut zu Onista, nahm sie bei der Hand und gemeinsam gingen sie auf den Antigrav-Schacht zu.
Als sie am Gartenbereich aus dem Antigrav-Schacht stiegen, kamen sein Vater Ultral und dessen Freundin Onythia de’moas Chihan aus dem Garten. Onythia war eine schlanke, reife Frau mit schulterlangen weißen Haaren und kam vom Larga-System, über 4.800 Lichtjahre von Harkon entfernt.
Charrut wusste, das sich auf Largamenia, Onythias Heimatwelt, eine der bedeutendsten Raumakademien neben IPRASA befand: GOSHBAR. Jedenfalls fand er es gut, das sein Vater nach so vielen Vothars endlich wieder jemand hatte, mit dem er scheinbar sein Leben teilen wollte. Charrut und sein Vater begrüßten sich durch Umarmung. Anschließend begrüßte Charrut auch Onythia de Chihan, die Freundin seines Vaters, um dann Onista vorzustellen: „Das ist Onista Ferinei. Onista kommt von Varynkor.“
„Willkommen in unseren Khasurn, Onista“, sagte sein Vater und nickte ihr zu. Auch Onythia lächelte ihr zu. „Ich schlage vor, wir essen jetzt, Ihr werdet sicher Hunger haben von der Reise“, meinte Ultral del Harkon und dirigierte alle Anwesenden zum Essensraum.
Während des Essens sprachen sie über die letzten Ereignisse im Elimor-Sektor, wie die Ausbildung auf Varynkor verlief und was man so als Gerüchte und Tratsch aus Tiga Ranton hörte. Charruts Vater, Ultral I., fragte beiläufig: „Und Sie, Onista, gehen Sie auch auf die Raumakademie Varynkor?“
Onista warf einen kurzen Blick zu Charrut, bevor sie antwortete: „Nein, ich lebe auf Varynkor. Ich arbeite dort in der Systemflotte.“
„Ah ja“, antwortete Ultral I. und Charrut konnte erkennen, dass sich hinter der Stirn seines Vater die Gedanken jagten. Es entstand eine kurze Pause.
Nach einer Weile stand Onythia auf und bot Onista an: „Kommen Sie, Onista. Ich zeige Ihnen kurz das Wichtigste vom Khasurn.“ Onista stand ebenfalls auf und gemeinsam verließen die beiden Frauen den Essensraum.
Nachdem die Frauen außer Hörreichweite waren, sprach Ultral seinen Sohn an: „In welcher Beziehung stehst Du zu dieser Frau, dieser Essoya?“
Charrut spürte, das jetzt die Entscheidung nahte und er Farbe bekennen musste.
„Wir lieben uns, und wir sind jetzt seit ungefähr vier Vothanii miteinander liiert!“ erwiderte er.
Das Gesicht seines Vaters verlor den freundlichen Ausdruck, der Teint wechselte erst ins hellere und wurde dann dunkel. „WAS?“ rief er. „Ich höre wohl nicht richtig. Bist Du verrückt? Das gab es noch nie. Ich.. ich.. Mir fehlen die Worte. Eine Essoya!!! Wie kannst Du es wagen, ohne meine Zustimmung solch eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht willst du Sie auch noch heiraten? Bist Du von allen Sternengöttern verlassen?“ schrie sein Vater wütend und stand auf.
Das war jetzt auch für Charruts Gemüt zu viel. Er schob seinen Stuhl mit einem Ruck nach hinten, während er aufstand, so dass dieser nach hinten umfiel. Er beugte sich über den Tisch, stützte sich schwer auf und sagte: „ICH entscheide, wen ich liebe und ICH entscheide, wen ich heirate!“ Charruts Worte waren zum Schluss auch laut geworden. Beide standen sich Angesicht zu Angesicht am Tisch gegenüber und starrten sich an.
„Abgesprochene Ehen sind im Adel Tradition und daran wirst Du Dich halten! Als mein Sohn und zukünftiges Khasurnoberhaupt wirst Du tun, was ich für richtig halte und meine Entscheidungen akzeptieren. Ich hatte wirklich gehofft, dass Du auf der Akademie erwachsen wirst und dort lernst, der Realität ins Auge zu sehen!“
„DU kannst nur für Dich entscheiden, aber für mich entscheide immer noch ich selbst. Und ich werde meinen Weg gehen, ob es Dir gefällt oder nicht“, erwiderte Charrut vehement. Sein Vater wollte etwas erwidern, als Charrut vor Zorn seine rechte Hand zur Faust ballte, sie auf den Tisch schlug und erregt sagte: „Kein Wort mehr. Meine Entscheidung ist gefallen!“
Einen Augenblick herrschte Totenstille zwischen den Männern, man hörte nur ihr erregtes Atmen. Erst jetzt bemerkten Vater und Sohn, dass die beiden Frauen zurückgekehrt waren und wohl teilweise den heftigen Disput mit angehört haben mussten. Charrut richtete sich auf, sah von seinem Vater zu Onythia und dann zu Onista, drehte sich um und ging in Richtung Antigrav-Schacht davon. Mit einer zornigen Bewegung seines Arms fegte er am Ausgang eine auf einer Vitrine stehende Vase mit einem lauten Fluch gegen die nächste Wand. Die Vase zersprang mit einem lauten Klirren in tausend kleine Stücke. Ein herbeieilender Bediensteter, der den Lärm, der an der Wand zerplatzenden Vase gehört hatte, wich Charrut aus, der mit einem erregten, wütenden Blick an ihm vorbei stapfte.