„Außer Ihnen, Zdhopanda, nur noch ich und einige Mitarbeiter der internen Revision“.

Zerl nickte und sagte: „Geben Sie diesen Personen nach und nach andere Aufgaben. Es darf aber nicht wie eine Bestrafung oder Versetzung aussehen“.

„Ja, Hochedler!“ erwiderte Dohan Tanoth.

Zerl de Enash beugte sich hinter seinem Schreibtisch weiter in Richtung Dohan vor und sagte:

„Seit dem Sie für mich tätig sind, konnte ich aus Ihrer Arbeitsweise und Ihrem Verhalten erkennen, das Sie weiterkommen und nicht nur der Stellvertreter meines Sicherheitschefs sein wollen. Das stimmt doch, oder?“

Dohan nickte leicht und erwiderte: “ Ja, Hochedler!“. Innerlich triumphierte er, endlich wurde sein Talent und seine Fähigkeit anerkannt.

„Mein Sicherheitschef Ano on’wes Mevor wird im nächsten Vothar aus Altersgründen seinen Dienst quittieren und ich bin auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Sie zukünftig als sein Nachfolger für mich arbeiten könnten. Würde Sie die Aufgabe reizen?“

„Selbstverständlich, Hochedler“, erwiderte Dohan. Zerl hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet. ‚Wie leicht doch die Essoya zu durchschauen waren. Man musste ihnen nur etwas Macht in Aussicht stellen und sie griffen danach wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm‘, ging es Zerl durch den Kopf.

„Ich habe eine Aufgabe für Sie, die Durchsetzungsvermögen, Stillschweigen und Loyalität erfordert. Ich will nicht, dass Sie Fragen stellen, Mutmaßungen oder Vermutungen äußern. Können Sie das?“

Dohan überlegte kurz, bevor er antwortete: „Ja, Hochedler!“

Zerl sah Dohan intensiv in die Augen und war nach einigen Augenblicken zufrieden mit dem Ergebnis. Er hatte in den Augen von Dohan gesehen, dass dieser die in Aussicht gestellte Position haben wollte.

„Bei einer schweren Krankheit muss man manchmal eine radikale Operation durchführen. Nur ein kompromissloses Vorgehen schützt den Khasurn und seine Mitglieder; die Zukunft des Khasurns. Auch Sie! So ist es auch bei dieser Erpressung. Das Problem muss beseitigt werden! Verstehen Sie, was ich will?“

„Ich bin mir nicht sicher, Zdhopanda“, erwiderte Dohan langsam, dem eine Ahnung beschlich, was kommen würde.

„Es darf keine weiteren Erpressungen mehr geben. Und es darf kein Hinweis auf den Khasurn geben“, erwiderte Zerl und legte eine kurze Pause ein, damit sich Dohan geistig auf seine nächsten Worten einstellen konnte. „Die Frau und das Kind müssen eliminiert werden!“

Dohans Ahnung wurde zur Tatsache. NIE hätte er gedacht, das Zerl de Enash so weit gehen würde. Aber andererseits… Wer Khasurnoberhaupt sein wollte, musste wohl hart und bedingungslos den Khasurn regieren. Er hatte in den wenigen Worten, die ihm Khasurnoberhaupt Zerl de Enash eben gesagt hatte, nichts anderes als einen Mordauftrag erhalten. Und er sollte sich darum kümmern! Er hatte damit kein Problem. Was kümmerte ihn die Frau und das Kind. Es gab so viele Arkii im Tai Ark’Tussan und jede Tonta starben irgendwo welche, da fielen zwei Arkii überhaupt nicht auf. Für ihn zählte nur sein in Aussicht gestellter Aufstieg. Damit verbunden waren Macht, Geld und andere Privilegien.

Zerl fuhr fort: „Es sollte so schnell wie möglich erledigt werden. Aber wichtig hierbei ist: es darf keine Spuren zu Ihnen, zu mir oder dem Khasurn geben. Haben Sie mich verstanden?“

Dohan nickte und erwiderte: „Jawohl, Hochedler“.

„Gut, dann gehen Sie. Ich betrachte diesen Auftrag als bereits erfolgreich erledigt.“

Dohan stand wortlos auf und wollte gerade den Raum verlassen, als ihn Zerl nochmals zurückrief.

„Warten Sie“, sagte Zerl, stand auf und ging zu Dohan. Er blieb kurz vor ihm stehen und legte eine Hand auf Dohans Schulter.

„Ich kann mir vorstellen, dass das nicht leicht für Sie ist. Aber es muss getan werden. Und ich wüsste keinen anderen, der dafür besser geeignet ist als Sie. Gleichzeitig zog er einen ID-Chip aus seiner Jackentasche und gab sie Dohan, während er sagte: „In Etori-Etset gibt es eine Wohnung, die vorübergehend nicht genutzt wird. Sie sollten die Angelegenheit von dort aus regeln! Auf diesem ID-Chip ist eine größere Summe Chronners gespeichert.“

Dohan nahm den ID-Chip, nickte Zerl de Enash zu und verließ endgültig den Raum.

Nachdem Dohan den Raum verlassen hatte, ging Zerl de Enash zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich. Langsam entspannte er sich und ein verstohlenes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

Alles verlief so, wie er es sich gedacht hatte – bis jetzt. Er hatte jemanden, der den Auftrag erledigte, es gab keine Aufzeichnungen und der ID-Chip war soweit präpariert, dass die Oberfläche in annähernd einer Tonta alle bis dahin vorhandenen Gen-Spuren zerstören würde Verlief der Auftrag reibungslos, hatte er keine Probleme damit, Dohan als seinen Sicherheitschef einzusetzen. Dann hatte Dohan seine Loyalität dem Khasurn gegenüber bewiesen. Und sollte doch etwas herauskommen, so konnte man Dohan die Schuld zuweisen; alle Indizien würden auf ihn weisen, ihm konnte nichts nachgewiesen werden, seine DNS-Spuren auf dem Chip waren vernichtet. ‚Und außerdem, wer sagte, das Dohan nicht eines Morgens tot aufgefunden werden würde?‘ dachte sich Zerl de Enash und ein hinterhältiges Lächeln zuckte über sein Gesicht. ‚Je weniger Mitwisser es gab, desto besser war das Geheimnis gewahrt‘.

* * *

Dohan erledigte seine Arbeit gewissenhaft. Nachdem die ersten Mitarbeiter der internen Revision andere Aufgaben zugewiesen wurden, machte er sich auf den Weg nach Etori-Etset. Während er in seinem Dienst-Gleiter saß und durch die Frontscheibe die Stadt immer näher kommen sah, ging er in Gedanken nochmals den Auftrag durch. Die auf dem Chip gespeicherte Geldsumme, die er vorgefunden hatte, kam ihm viel zu gering vor: Gerade einmal 500.000 Chronners. Und damit sollte er einen Killer beauftragen können?! Er musste jemanden finden, dem er den Auftrag übergeben konnte. Nur wie? Für ihn war dies absolutes Neuland.

Die Gleiter-Positronik teilte mit, dass er sein Ziel erreicht hatte, während der Gleiter zur Landung auf einem Gleiterlandeplatz eines Wohnkhasurns ansetzte. Er zog kurz den Permit-Chip hervor, den ihm Zerl de Enash gegeben hatte und warf einen Blick darauf. Er konnte ’27-5-39′ lesen. Nachdem der Gleiter gelandet war, stieg er aus, ging zum zentralen Antigravschacht und schwang sich hinein. Er ließ sich bis in die 27. Etage hinab schweben und schwang sich dann hinaus. Er folgte dem Hinweis zum Bereich 5 und folgte dann den Wohnungsnummern, bis er vor der 39. Wohnungstür stand. Mit dem Permit-Chip am Sensorfeld öffnete sich ihm die Tür und Licht flammte auf. Er betrat die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Die Wohnung war spartanisch eingerichtet: Eine kleine Sitzcouch, ein Bett und eine einfache Essenszubereitungseinheit. Für ihn ein Anachronismus, war das große Terminal der Wohnungs-KSOL, wesentlich größer als üblich. Und eine Bedientaste blinkte. Langsam ging er zum Terminal und setzte sich in den Sitz davor. Er warf einen Blick auf die blinkende Taste. ‚Kontakt‘ stand darauf.

Nach einigem Zögern drückte er die Taste. Sofort erschien auf dem Display der Hinweis, dass die Verbindung hergestellt würde. Er wartete. Nach einigen Palbertontas verschwand der Hinweis und das Displaybild fing an, sich wie schwerer Nebel oder Rauch zu bewegen. Gleichzeitig meldete sich jemand mit positronisch verstellter Stimme:

„Sie haben einen Auftrag?“

Dohan war überrascht. War schon alles vorbereitet? Oder waren von dieser Wohnung bereits schon andere Mordaufträge lanciert worden?

„Ja“ erwiderte er.
„Welcher Art?“ stellte ihm der unbekannte die Gegenfrage.
„Es muss jemand beseitigt werden!“
„Wie viele?“
„Zwei Personen.“
„Männlich oder weiblich?“
„Beide weiblich, Mutter und Kind.“
„Stand?“
„Unverheiratet, Essoya,.“
„Wo?“
„Planet Varynkor.“
„Wann?“
„Schnellstmöglich.“
„Wie?“
„Es muss wie ein Unfall aussehen!“

„Bleiben Sie empfangsbereit. Ich melde mich innerhalb weniger Tontas wieder“, erwiderte die verfremdete Stimme und unterbrach die Verbindung.
Dohans Vermutung wurde zur Gewissheit. Diese Wohnung wurde schon mindestens einmal für dubiose Aufträge benutzt. Dohan stand auf und ließ sich von der Essenszubereitungseinheit etwas Nahrung zubereiten. Anschließend wartete er auf den Rückruf. Nachdem zwei Tontas vergangen waren und er müde wurde, legte er sich auf das Bett und schlief etwas unruhig ein.