Während er mit der Akademiesicherheit in Richtung Ausgang ging, hörte er noch Onista den Sicherheitsbeamten fragen: „Was wird mit ihm geschehen?“, aber die Antwort nahm er nicht mehr war. Gemeinsam mit den beiden Männern verließ er den Aufenthaltsraum und sie schwebten zum Landedeck empor. Dort bestiegen sie einen Militärgleiter, der kurz darauf mit Ziel Akademie startete.

* * *

Kaum waren sie gelandet und ausgestiegen, geleiteten die Militärpolizisten Charrut ins akademieeigene Medik-Center und führten ihn zum diensthabenden Bauchaufschneider, einer von der Akademiesicherheit trat mit ein und stellte sich demonstrativ vor die Eingangstür. Der ergraute Mediker, der sie erwartete, nickte Charrut zu, deutete auf eine Schwebeliege und sagte: „Ich bin Bauchaufschneider Serl Engaar. Legen Sie sich auf die Schwebeliege“. Während Charrut sich vorsichtig auf die Liege legte, erinnerte er sich an die erste Begegnung mit Bauchaufschneider Serl Engaar: damals, kurz nachdem er auf der Akademie kam, musste er wegen einer Trainingsverletzung auf die Krankenstation und hatte dort Kerasor kennengelernt. Währenddessen kam der Bauchaufschneider mit einer speziellen KSOL zu ihm, las die bereits vorliegenden medizinischen Daten des Medik-Centers aus Varynkor-Etset von der KSOL ab und begann, ihn nochmals zu untersuchen. Nach einigen Paltortontas legte er seine medizinischen Messgeräte zur Seite, sprach leise in die KSOL und wandte sich dann an Charrut.

„Sie hatten Glück. Hätte der Rivale das K’onom-Kampfmesser anders gehalten oder enger geführt, wäre die Verletzung möglicherweise schwerwiegender“

„Wer sagt, das es ein Rivale und das es ein Kampfmesser war?“ fragte Charrut überrascht.

Der alte Arki sah ihn milde an und erwiderte: „Junger Mann, halten Sie mich nicht für senil, nur weil ich alt bin. Ich habe schon oft ähnliche Verletzungen behandelt. So spät Abends geht es fast immer um eine Frau, wenn es nicht der Alkohol ist. Und außerdem steht es so im Bericht des Sicherheitsdienstes.“

Charrut nickte verstehend.

„Sie erhalten jetzt noch ein blutaufbauendes Präparat. Die nächsten zwei Pragos sollten Sie sich etwas schonen, damit die Verletzung problemlos verheilt.“

Mit diesen Worten setzte er eine Injektionspistole an Charruts Halsschlagader an und injizierte ihm das Präparat.

Nach der Injektion wandte sich der Bauchaufschneider seinem Arbeitstisch zu und sagte, während er sich setzte: „Sie dürfen jetzt gehen. Aber denken Sie an die zwei Pragos, in denen Sie etwas kürzer treten.“

„Danke, Bauchaufschneider Serl Engaar“ sagte Charrut, glitt von der Schwebeliege herunter und gemeinsam mit dem Angehörigen der Akademiesicherheit trat er hinaus in den Gang, wo sie von dem zweiten Mann erwartet wurden. Wieder nahmen sie ihn in die Mitte und schlugen den Weg in Richtung Zentralkhasurn ein.

* * *

Nachdem Charrut in Begleitung der beiden Militärpolizisten den Aufenthaltsraum verlassen hatte, musste sich Onista erst einmal setzen. Den Blick, den ihr Charrut zugeworfen hatte, verhieß nichts Gutes. Sie setzte sich auf die Couch im Aufenthaltsraum und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Sie verzweifelte innerlich: hätte sie geahnt, wie alles eskalieren würde, hätte sie auf alle Fälle Pergar eine Nachricht zukommen lassen, egal, ob es passend gewesen wäre oder nicht. Die Schuld, die sie auf ihren Schultern fühlte, wog schwer. Pergar war noch immer bei den Medikern, Charrut auf den Weg zur Akademie in Begleitung der Akademiesicherheit. Eine einzige Katastrophe… Als Onista nach einer gefühlten Ewigkeit den Kopf hob, sah sie direkt in die Augen des Sicherheitsbeamten, der sie scheinbar die ganze Zeit beobachtet hatte, angelehnt an einer Säule. Dieser setzte sich langsam ihr gegenüber, legte die Plastiktüte mit dem blutverschmierten Kampfmesser von Pergar auf den Tisch und sagte dann: „Ich kann Ihnen helfen. Sie und ich wissen doch ganz genau, was vorgefallen ist, auch wenn Ihr Freund versucht hat, es zu verheimlichen. Es ehrt ihn, Sie zu schützen, aber das hilft Ihnen nicht, es verkompliziert die Angelegenheit nur. „Onista ließ den Satz in sich nachklingen, bevor sie seufzend sagte: „Also gut, bevor ich wieder einen Fehler mache, sollen sie es erfahren“ und fing an, über den Abend und den Kampf dem Sicherheitsbeamten zu erzählen. Nachdem sie geendet hatte, nickte der Sicherheitsbeamte und erwiderte: „Sehen Sie, es war doch gar nicht so schwer. Übrigens, mein Name ist Cren Otona, Sicherheitsoffizier 1. Klasse. Es ist fast so, wie ich es mir gedacht habe. Sie haben jemand anderes kennen- und lieben gelernt, aber Ihren bisherigen Partner nicht mitgeteilt, das Sie sich von ihm trennen. Und Ihre Schwester hat ihm mit der Einladung zu dieser Modenschau darauf aufmerksam gemacht. Vielleicht wollte sie, das Sie sich entscheiden oder andere Beweggründe haben sie dazu verleitet, ich weis es nicht. Für die Ermittlungen spielt es jedenfalls keine Rolle. Und da Sie mir geholfen haben, Licht in diesen Fall zu bringen, helfe ich auch Ihnen. Zum einen lasse ich Sie nachhause bringen und zum anderen werde ich in der Akademie ein Gutes Wort für Ihren Freund einlegen“. Er führte sein Kommunikationsarmband zum Mund und führte ein kurzes Gespräch. Kurze Zeit später erschien ein Sicherheitsbeamter, einer von denen, die bereits am Kampfplatz vorhin dabei waren. Der Sicherheitsbeamte, mit dem sie eben das Gespräch geführt hatte, sagte zu ihr: „Mein Kollege wird Sie nachhause bringen. Sie sollten versuchen, zu schlafen. Und morgen, wenn Sie ausgeruht sind, sieht das Universum wieder anders aus. Und wenn ich Ihnen ein Rat geben darf: versuchen Sie in Ruhe mit Ihrer Schwester zu reden. Und entscheiden Sie sich für einen und beenden das andere Verhältnis“.

Onista stand auf und fragte: „Sie halten Ihr Wort?“

„Selbstverständlich. Ich werde mich gleich darum kümmern“

Onista nickte zustimmend und ging zum wartenden Sicherheitsbeamten. Nach wenigen Quars blieb sie stehen, drehte sich nochmals um und fragte: „Was wird aus Pergar werden?“
Der Sicherheitsbeamte warf einen Blick auf seine Notizen, die er während Onistas Erzählung angefertigt hatte, und erwiderte: „Nun, er steht unter der Gerichtsbarkeit des Militärs. Wir selbst können Ihn nicht anklagen, aber das Militär wird Ihn nicht so davonkommen lassen: schwere Körperverletzung, Mordversuch, Überfall, um nur einige Punkte aufzuzählen. Ich persönlich denke, Ihn erwartet ein längerer Militärgefängnisaufenthalt, sicher ein Einsatzort, an den keiner gerne hin will. Und wenn er Pech hat, wird er auch noch unehrenhaft aus der Systemflotte entlassen.“
Onista bedankte sich bei ihm, drehte sich zum wartenden Sicherheitsbeamten um und gemeinsam mit ihm verließ sie den Aufenthaltsraum.

* * *

Nach einigen Paltortontas, in denen sie diverse Gänge durchschritten und den zentralen Antigrav-Schacht benutzt hatten, blieben sie vor einer Tür stehen. Charrut sah auf das Namensschild, was oberhalb des Türöffners angebracht war: Jewon de’len Carnat/Anowi Vrey. Er hatte es geahnt. Geahnt, seitdem die Sicherheitsbeamten von Varynkor-Etset aufgetaucht waren. Aus den Augenwinkeln konnte er das höhnische Lächeln eines der Männer erkennen. Mit verbissenem Gesicht sah er, wie einer der beiden auf den Türöffner drückte. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Bevor er sich das Vorzimmer genauer ansehen konnte, kam eine Frau aus dem Büro von Jewon de’len Carnat in das Vorzimmer. Sie war schlank, hochgewachsen und die Uniform der Akademie, die sie trug, saß hauteng. Sie hatte ihre Haare, so wie es gerade Mode war, hochgesteckt. Sie blieb schräg vor ihm stehen, sah in von oben bis unten an und schürzte ihre Lippen, als sie sah, wie er vor ihr stand: der Oberteil seiner Ausgehuniform war abgeschabt und verdreckt vom Kampf und er trug eine Ersatzhose aus dem Medik-Center. Sie warf einen Blick auf ihre KSOL, die sie dabei hatte, als sie in das Vorzimmer zurückkam, blickte Charrut an und sagte, dabei gleichzeitig mit einer Hand zum Büro von Jewon de’len Carnat deutend: „Ich hoffe für Sie, das Sie eine gute Erklärung haben. Ihr persönliches Dossier spricht jedenfalls Bände über Sie.“ Bevor er irgendetwas darauf antworten konnte, fuhr sie fort: „Gehen Sie gleich in das Büro. Sie werden bereits ungeduldig erwartet, Thos’athor Charrut.“ Charrut grüßte und ging zum Büro von Jewon de’len Carnat, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Vor dem Schreibtisch blieb er stehen, salutierte und sagte mit kräftiger Stimme: „Mein Leben für Arkon und den Imperator!“.

* * *

Ein melodisches Summen ertönte und schreckte Jewon aus seinen Gedankengängen auf. Aus müden Augen sah er am Monitor, das sich Anowi meldete. Sie kannte seinen Tagesablauf und hätte ihn nicht gestört, wenn es nicht wichtig sein würde. Er seufzte und sagte: „Gespräch annehmen“. Die Positronik stellte durch und das Abbild von Anowi Vrey erschien auf dem Monitor. Jewon sah sie fragend an und sie erwiderte: “ Zdhopanda, wir haben wieder einmal einen Kampf zwischen Thos’athors unserer Raumakademie und Angehörigen der Systemflotte.“
„Wie viele Thos’athor sind betroffen, und wie schwer sind diese verletzt?“