Raumakademie von Varynkor

Band 1

 

Ein neuer Jahrgang

 

 

 

 

14.595 Tai-Votanii nach der Reichsgründung steht das Tai Ark'Tussan erneut vor einer Zerreißprobe.

Epetran, größter und genialster Arkii-Wissenschaftler aller Zeiten, sah das Verderbnis der Degeneration kommen und sorgte vor, so dass die kommenden Generationen sich vorbereiten und das Tai Ark'Tussan retten könnten. Doch nach seinem Ableben 13.978 da Ark wurde vieles vergessen. Der Hochmut der Arkii nimmt der Gesellschaft die Sicht auf die nahende Verderbnis. Immer wieder gibt es Sehende, die sich dem Unheil entgegenstemmen, legen geheime Archiv und Depots an, setzten Prozesse in Gang, die erst in ferner Zukunft greifen würden.

Einer dieser Sehenden ist Tai Moas Saran III., Höchstedler und Imperator des Tai Ark'Tussan, dem Großen Imperium der Arkii. Er geht sogar einen Schritt weiter, um die Arkii vor der Degeneration, somit vor dem Untergang zu bewahren, ging in die Offensive.

Doch seine Entscheidungen fallen nicht nur auf fruchtbaren Boden. Viele der Hohen Khasurns wittern eine Beschneidung ihrer Machtbefugnisse, ihres Besitzes und ihres Status.

Eine Zerreißprobe nicht nur für die Hohen Khasurns, deren Entscheidungen betreffen auch die Mittleren und Unteren Adelshäuser. Das emotionsgeladene Schreckgespenst einer Spaltung des Thi Than, des Hohen Rates, des kompletten Adelsstandes und der arkonidischen Gesellschaft wird von den konservativen Kräften heraufbeschworen.

Ein Schrei der Entrüstung fuhr durch Tiga-Ranton, als bekannt wurde, dass Tai’Moas Saran III. 14.590 da Ark eine neue Raumakademie auf der Veteranenwelt Varynkor gründen ließ. Neben Arkii werden hier auf der neuen Faehrl auch Bras’cooi und Breheb-cooi zu Offizieren der Arkii-Raumflotte ausgebildet.

Für die Konservativen ist die Gründung der neuen Raumakademie der letzte Keil, der die Spaltung der Arkii-Gesellschaft vorantreibt. Der Tai'Moas hält dagegen, dass Varynkor die alten Faehrls nicht ersetzen, sondern ergänzen wird. Denn das Tai Ark'Tussan ist mehr, als nur die Hohen Khasurns der Arkii.

Die Raumakademie von Varynkor besteht nun im fünften Tai-Votan und so viele Anwärter wie in diesem Tai-Votan hat es hier noch nie gegeben. Es ist auch das Tai-Votan, in dem erstmals Mehandor, Kaan'lass und Breheb-cooi aufgenommen werden.

Rechtschaffenheit, Aufrichtigkeit, Offenheit, Pflichtgefühl, Verantwortungsbewusstsein – das sind einige der Säulen der Gesellschaft, auf ihnen ruht das Leben der vergangenen Jahrtausende, darauf bauen kommende Generationen darauf. Es wird sich zeigen, ob die Säulen des Lebens in die Zukunft tragen. Denn jeder Einzelne hat die Möglichkeit, selbst zu einer dieser Säulen zu werden.

 

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Atme!

Das erste eherne Prinzip des Dagor

Der erste Atemzug aktiviert das Zhy im Körper, mit dem letzten Atemzug befreit sich das Zhy vom Körper. Atmen ist Leben, atmen ist Zhy. Mache einen Schritt nach dem anderen, so beginne mit dem Ersten: Atme!

Ohne Atem kannst Du nicht überleben, richtig atmen ist die erste Medizin, atmen ist die Übung alles Lebens.

Schließe die Augen und atme: Hör auf deinen Körper, fühle das Atmen, spüre das Zhy.

Erkenne dich beim Atmen, erkenne dein Gegenüber an seinem Atem, erkenne darin seine Stärken, erkenne darin seine Schwächen.

So gehe in dich und lerne richtig zu atmen. Atmen ist die erste Übung des Pragos, Atmen ist die letzte Übung des Pragos. Konzentriere Dich auf deinen Körper, atme ein, atme aus – spüre wie der Atem in deinen Körper strömt, spüre wie dein Atem dem Körper die Kraft gibt, spüre wie dein Atem das Zhy entfacht, – werde eins mit Atem und Zhy.

 

Erzählungen von Tal‘gnay‘Shuk

aufgeschrieben von Gonah‘Tokur Zanal auf Iprasa

verewigt in den 12 ehernen Prinzipien des Dagor

3.558 da Ark

 

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Prolog

Kerasor

 

  Mit einem leisen Sirren schloss sich die Tür hinter mir und der schwache Lichtschein des Korridors erlosch. Ein paar Augenblicke stand ich im Dunkeln, nur ein leichter Wind wehte, bis sich die Augen an die Dunkelheit des nahenden Morgens angepasst hatten. Die Konturen der oberen Plattform des Khasurns schälten sich aus der Dunkelheit heraus, die Positionslichter der Landefläche und die selbstleuchtenden Begrenzungsstreifen der Khasurnkante glommen durch die angehende Morgendämmerung.

  Zehn Quars vor der Kante blieb ich stehen, sah auf die Displayergänzung meines Armkoms, aktivierte mit dem Zeigefinger die gespeicherte Befehlsroutine und ergänzte die Sicherheitsroutinen. Nun konnte ich bis zur Kante des Khasurn vortreten und sah in die Tiefe.

  Dunkel wabernde Nebelschleier, von einigen Gebäudeleuchten erhellt, bedeckten still die darunter liegende dunkle Parklandschaft. Kein Laut war zu hören, eine Stille, die selten war, schloss für einige Augenblicke die Augen und lauschte der Stille des Morgens.

  Es folgte ein Blick zur Seite, zum Horizont, der sich gerade aufwölbende Lichtdom, von dunkelorange hin zum blauviolett kündigte mit einem klaren Morgenhimmel den neuen Prago an. Ein verirrter Laslar-Käfer brummte über das Landedeck hinab zu den Bäumen auf der Suche nach einem geeigneten Versteck, um den Prago zu verschlafen.

  Ich hob die Arme seitlich, bis sie mit den Schultern eine Linie bildeten, flammten kurz in dem Augenblick, als sich Tam, Tamanars Sonne, über den Gebirgskamm schob, feine opalisierenden Farben die transparenten Flughäute zwischen Arme und Beine auf.

  Das war der Augenblick, ich ließ mich kopfüber nach vorne in die dunkle Tiefe fallen! Über mir erhellte sich der Park, die ersten Strahlen von Tam fielen ein, die holografische Brille über den Augen aktivierte sich und zeigte mir die Sicht der unter mir dahin jagende dunkle Parklandschaft als konturige Landschaft.

  Ich spreizte Arme und Beine und bremsten mit den Flughäuten des Fluganzuges den Fall. Aus dem Sturz wurde ein Gleitflug, entsprechend stärker blies der Fahrtwind ins Gesicht und durch die handlangen hellbraunen Haare. Ich genoss diese Augenblicke, wusste doch die Sicherheitspositronik des Khasurn auf meiner Seite, die sofort bei einer Abweichung der Flugbahn und eventuell kollidierenden Objekte eingreifen würde. Dennoch beobachte ich aufmerksam meine Umgebung.

  Die orangefarbene Sonne schob sich weiter über den Horizont nach oben, beleuchtete den für einen Augenblick den fahlen Nebelschleier, der goldene Schimmer erlosch beim Eintauchen in die Nebelschwaden.

  Zwei Augenblicke, schon durchstieß ich die unterste Nebelschicht, das restlichtverstärkende-Holo über den Augen zeigte mir die dunkle Umgebung und wohin der Flug führte. Über die Wipfel der Parklandschaft, Arme und Beine gespreizt, getragen von der schillernden durchsichtigen Haut zwischen Armen und Beinen.

  Der nächste Khasurn zog auf der rechten Seite vorbei, nun kam eine Kehre zurück zum Ausgangskhasurn, wo glimmende Bodenleuchten den Landeplatz eingrenzten. Ich veränderte den Winkel von Armen und Beinen, bremste damit den Flug ab und sank immer tiefer. Wie ein riesiger Vogel flog ich knapp fünf Quars über den Parkboden hinweg, dem breiten schwach beleuchteten leicht geschwungenen Weg durch den Park folgend.

  Der riesige Trichterbau verschwand hinter den hohen und dichten Laubkronen der Bäume, als ich meinen Körper in die Senkrechte zog. Die Fluggeschwindigkeit reduzierte sich sofort, ich fiel aus zwei Quars Höhe auf den Boden und begann beim ersten Bodenkontakt sofort mit dem Laufen. Schwer atmend stand ich nun im Park, als die Morgenvögel zaghaft mit ihrem ersten Zwitscher-Konzert den Prago begrüßten. Nach und nach stimmten weitere Vögel in den Morgengruß ein und der erste Sonnenstrahl durchdrang nun den Nebelschleier.

  Die warmen Strahlen der Sonne Tam schoben sich nun mit aller Macht durch die Nebelschwaden und beleuchteten den breiten Weg und die Wiesen des Parks. Der dünne Fluganzug war schnell ausgezogen und in der Rückentasche verstaut. Knapp 4000 Quars waren es zurück zum Wohnkhasurn, das letzte Mal, dass er diesen Weg lief, Wehmut keimte mit diesem Gedanken in ihm auf. Mit tiefen Einatmen verbannte er die Wehmut und lief los. Noch war hier im Park niemand außer ihm unterwegs, was sich bald ändern würde.

  Den Weg voraus beobachtend und auf seinem gleichmäßigen Laufrhythmus konzentriert, lag nur noch ein Drittel des Weges vor mir, als mich ein heftiges lautes Klatschen aus dem Gebüsch rechterhand aufs heftigste erschreckte und meinen Lauf unterbrach.

  Klatschend und grinsend trat ein Arki auf den Weg hinter dem Gebüsch hervor, mit ihm stob ein Schwarm gelbgrüner Kusus-Vögel hervor. Er hatte meine Größe, also 1,80 Quars und trug einen dunkelblauen Anzug mit kurzem Stehkragen, dunkelblaue Halbschuhe, die halb von den Hosenbeinen bedeckt waren. Sein silberfarbenes Haar hatte er zu einem schulterlangen Zopf nach hinten gebunden und um die rötlichen Augen zeigten sich erste Fältchen.

  „Mann, Pacheopalan, müßt Ihr mich so erschrecken?“

  Lächelnd verlangsamte er seine Schritte, verharrte eine paar Augenblicke, um ihnen zu lauschen und spürte die Wärme der morgendlichen Sonne auf seinem Gesicht und trat an mich heran. "Dir auch Waranshe und möge er Deine Sorgen vertreiben! Respekt, mein Junge, Respekt! Das war wieder eine gelungene Vorstellung!"

  "Was treibt Euch so früh in die Einsamkeit hinaus?"

  "Du wirst es mir nicht glauben, aber ich genieße den Sonnenaufgang und das morgendliche Konzert der Kusus! Außerdem klärt die frische Morgenluft die Gedanken, die Stille schärft die Sinne und die Eskapaden gewisser junger Männer bringen einem den Kreislauf schneller in Schwung als eine Tasse K'amana."

  "Hm" meinte ich und bemerkte die Blässe des Ertappt Werdens, wie sie für einen Moment meine roten Backen überdeckte. Ich kannte meinen Mentor und Lehrer fast mein ganzes Leben lang. "Ausnahmsweise nehme ich Euch das ab. Aber was ist der wirkliche Grund, warum Ihr hier auf mich gewartet habt?"

  "Zum einen ist heute dein letzter Prago auf Tamanar, da hätte ich gerne…" Pacheopalan hob die rechte Hand zu Kerasor und hielt sie auf, "deinen Armkom-Adapter. Du wirst ihn dort, wo du hingehst, nicht brauchen und er soll nicht in fremde Hände gelangen."

  Ich zog das flache Gerät vom linken Armkom ab, übergab es mit einem Seufzen Pacheopalan, dieser steckte es in seine rechte Anzugtasche.

  "Dein morgendlicher Frühsport ist mir natürlich nicht entgangen, wir hatten immer ein Auge auf Dich. Allein nur mit dem Adapter wäre es Dir nicht möglich gewesen, vom Rand des Khasurndaches in die Tiefe zu stürzen. Die Überwachungspositronik zu manipulieren, dazu bedarf es schon ein wenig mehr!"

  Seine Worte machten mich verlegen und wollte darauf erwidern, als Pacheopalan weitersprach.

  "Anfangs hatten wir wegen Deinen Extratouren schlaflose Nächte!" Pacheopalans Sorgenfalten zeichneten sich nur kurz auf dessen hohen Stirn ab. Seine hervortretenden Wangenknochen, das längliche Gesicht und das etwas spitze Kinn zeichnete ihn als Arki von Arkon aus. Ein Kontrast zu den dunkelhaarigen Tamanarii, denen die hohe Stirn und das spitze Kinn fehlte. Er legte seinen rechten Arm um meine Schultern. "Das ist nun geklärt, dennoch stehen uns weitere schlaflose Nächte bevor."

  Langsam schritten wir dem Trichterbau entgegen, in dem meine Wohnung lag. Die die ersten Gleiter flogen auf den Trichterbau zu, erste Tamanarii erschienen im Park.

  "Heute Nacht haben wir erstmalig auf Tamanar in der Etset Wes eine Zelle von Nicht-Tamanarii ausgehoben, so wie es aussieht, sollten sie Anschläge ausführen. Zwei wurden getötet, zwei verletzt festgesetzt, aber drei weitere konnten entkommen. Sie tauchten Spurlos in Tamanar-Etset unter, sind also schon seit längerem auf Tamanar. Nur durch Zufall sind wir auf diese Eindringlinge gestoßen und von den beiden Gefangenen haben wir nach eindringlicher Befragung erfahren, dass Attentate auf die Angehörigen des tamanarischen Hauptkhasurns vorbereitet wurden. Deswegen bin ich hier! Wir haben die Vorstufe zum Ausnahmezustand ausgerufen und hoffen, die Attentäter schnellstmöglich aufzuspüren, bevor sie Schaden anrichten können! Deren Ziele sind Deine Familie und Du! Deshalb bitte ich Dich, achte besonders heute an Deinem letzten Tag hier auf Deine Umgebung!"

  Wir blieben unter einer weit ausladenden Hachal stehen. "Ich werde deinen Rat beherz… aagh!", stöhnte ich plötzlich auf, krümmte mich und fasste mit der Linken an die Schläfe um den plötzlich auftretenden stechenden Schmerz wegzudrücken.

  "Kerasor, was ist los?" fragte Pacheopalan.

  "Gleich … gleich ist es vorbei."

  "Hattest du diese Anfälle schon öfter?"

  Ich schüttelte nur den Kopf, noch hielt mich der Schmerz im Griff. Ein paar tiefe Atemzüge und richtete mich wieder auf. "Es geht wieder – es sind nur die Nachwirkungen des Unfalls, aber meine Genesung ist abgeschlossen. Diese Schmerzanfälle werden mich noch eine Weile peinigen, wurde mir von den Yoner-Madrul gesagt."

  "Dann, mein Junge, wünsche ich Dir alles Gute, viel Glück und Erfolg und hoffe, Dich gesund in zwölf Tai-Vothanii wiederzusehen!" Pacheopalan sah sich kurz um, dann nahm er mich fest in die Arme. Als er wieder losließ, zog er ein Etui aus seiner Jackentasche. "Hier drin sind zwei Kristalle; der klare Kristall ist für Russark von Telkian bestimmt, überreiche ihn unbedingt persönlich in meinem Namen! Der bläuliche ist für Dich – für alle Fälle!"

  Pacheopalan lachte mich noch an, drehte sich um und ging den Weg zurück. Ich starrte ihm noch eine Weile nach, schob mit einem feuchten Schimmer in den Augen das Etui in die kleine Tasche am Gürtel und lief die restlichen Quars zum Khasurn.

 

*     *     *

 

  Mit einem lauten Schnalzgeräusch verschloss sich der Koffer. Ein kleiner Koffer für zwölf Tai-Votanii, gerade Platz für ein paar persönliche Gegenstände, mehr besaß ich nicht. Ich sah mich zum letzten Mal in dem acht mal zwölf Quars großen Zimmer um. Sechs Tai-Votanii bewohnte ich dieses Appartement am oberen äußeren Rand des Tamanar-Khasurns, eingewöhnt hatte ich mich nie. Ich vermisste meine kleine Raumzelle des Dagor-Klosters, die mir zwölf Tai-Vothanii ein Zuhause war und wo ich unterrichtet wurde. Die Tai-Votanii im Dagor-Kloster hatten mich geprägt, dort war das Zimmer drei mal zwei Quars groß gewesen, schlicht und einfach eingerichtet.

  Die großzügige Sitzecke, die ein Drittel des Zimmers beanspruchte und den Blick durch das Fenster, so groß wie die Außenwand, hinaus zu den Gebäuden im Ostteils Tamanar-Etset. Grüne Hügel, an deren Spitze die kompakten Trichterbauten 100 Quars darüber hinausragten. Sie gehörten zu den ersten Bauwerken Tamanars, wurden damals in den Gründerjahren vom einfallsreichsten Architekten von Samis entworfen und gebaut. Albraghin, Guurth da Homanthur gehörte immer noch zu den bekanntesten Persönlichkeiten Tamanars. Sein Vermächtnis waren die Hügel und alle Hügel waren Trichterbauwerke, nach außen begrünt, die seit 800 Tai-Votanii das Bild von Tamanar Estet prägten, seit der Verbannung von Samis.

  Nicht nur die Bewohner der Khasurns im Inneren, die Außenseiten, in Terrassen angeordnet, nahmen die neue Flora und Fauna von Tamanar auf und bildeten Ausgangspunkte eines riesigen stadtumfassenden Parks. Auf dem ursprünglichen Boden dieser Welt wuchs nur sehr wenig, diese Erde musste erst entgiftet und renaturiert werden, dass erforderte einen langwierigen und aufwändigen Prozess. 800 Tai-Vothanii nach der Besiedlung Tamanars war noch nicht einmal ein Zehntel des Planetenbodens entgiftet, das bewohnbare Gebiet um Tamanar-Etset umfasste einen Kreis von gerade 2.815 Dran Durchmesser. Außerhalb dieses behüteten Gebietes war es lebensgefährlich und forderte immer noch seinen Tribut bei den Tamanarii. Und die Estet wuchs schneller als das Land bewohnbar gemacht werden konnte.

  Es herrschte dichter Gleiterverkehr unter dem türkisfarbenen Himmel, der von langen gelblichen Federwolken durchzogen war. Ich nahm meinen Koffer, seufzte noch einmal und verließ das Zimmer. Im weitläufigem Flur wartete ein Butler-Roboter, der mein Gepäckstück entgegennahm.

  "Raumhafen Sektor Len, Abflug 18:50:00 VOT, Schiff MANATO Ziel Varynkor." lautete meine mündliche Anweisung und mit einem "Verstanden Erhabener" machte sich der Butler-Roboter auf den Weg.

  Ich schritt in die entgegengesetzte Richtung zum Antigravschacht 56. Dreißig Quars aufwärts, zum Gleiterdeck, der zur Wohneinheit gehörte. Zwölf Quars weiter befand sich Fahrzeugbox, wo meine Hartella parkte. Ich schritt langsam um die kupferfar-bene Maschine, jede Seite mit drei im Rotverlauf eingefärbte Streifen.

  Hartellas wurden auf Tamanar gebaut. Es waren offene Gleiter, auf denen man rittlings saß. Es gab Ein- und Zweisitzer, nach vorne gebeugt oder lässig wie in einem Sessel sitzend, sorgte ein durchlässiges Sicherheits-Prallfeld für einen angenehmen Fahrtwind. Die maximale Fluggeschwindigkeit der Hartellas lag bei 180 Dran per Tonta, die Flughöhe lag bei maximal 1000 Quars.

  Mit einem Handgriff identifizierte ich mich bei der Mikro-KSOL der Hartella, die sich daraufhin aktivierte. Ich klappte den Fahrersitz nach oben, nahm die Schutzweste heraus, zog sie über. Automatisch passte sie sich meiner Kleidung an, schob sich von vom Nacken bis zu den Schuhen hinab und streckte sich ein wenig, bis die Sicherheitsweste nicht mehr zu spüren war. Sicherheitswesten wurden speziell für freifliegende Fahrzeuge wie die Hartellas konstruiert, sie schützen ihre Träger optimal und zuverlässig bei Unfällen jeglicher Art.

  Die Maschine startete als ich aufsaß und die Steuerungssticks umfasste, schwebte eine Handbreit über dem Gleiterdeckboden. Ich lenkte sie zu den Ausflugsöffnungen, die Überwachungspositronik wies uns Tor zwölf zu. Keine Palbertonta später schossen wir in den türkisfarbenen Himmel, siebenhundertzwanzig Quars über dem Boden, automatisch aktivierte sich das Sicherheitsprallfeld. Die Hartella-KSOL zeigte mir im Bordholo den uns zugewiesenen Flugkorridor und ich zog die Maschine nach unten, Richtung Daormayn-Park, wo ich mich das letzte Mal mit meinen Freunden treffen würde und genoss den frischen Fahrtwind.

  Die orange Sonne senkte sich dem Horizont entgegen, brannte immer noch heiß von einem mit Federwolken durchzogenen, türkisblauen Himmel herab. Der Prago neigte sich dem Ende zu. Die Blütenkelche der Korenet-Bäume begannen sich zu öffnen, die kleinen, blitzschnellen Perpai-Vögel statteten den Kelchen einen Besuch ab. Sie kamen erst jetzt am späten Nachmittag aus ihren Bruthöhlen hervor.

  Mit gleichbleibender Geschwindigkeit folgte ich der breiten Flugstraße, die sich sanft die Hügel hinab zu einem See schwang, von grünen Bäumen und Feldern gesäumt. Mühelos erreichten wir den Daormayn-Park und flogen hinein, schwebte am Daormayn-Statuenkreis vorbei.

  Der Daormyn-Park war der größte Park auf Tamanar. Unregelmäßig ringförmig, zwischen 1,8 und 3,1 Dran breit, umgab er das tamanarische Regierungszentrum und bildete den Anfang der kreisförmig angelegten Tamanar-Etset. An der Stadtgrenze standen im Statuenkreis all diejenigen Tamanarii, die hervorragendes für die neue Welt geleistet hatten. 12 Quars groß, sah jede Statue zur Stadt. In den Sockeln gab es das holografische Vermächtnis jedes dieser so geehrten Frauen und Männer und waren der Anziehungspunkt nicht nur während der Katanen der Capits.

  Die Wege waren naturbelassen, mit kleinen Kieselsteinen aufgeschüttet, die Bäume rückten näher heran. Eine Lichtung öffnete sich vor uns, wir hatten unseren Treffpunkt erreicht. Ein Gebäude, ganz anders als die gewohnten Trichterbauten, lag zur Hälfte im Boden versunken, viel Grün wuchs um die Mauern und auf dem Dach. Es gab über achthundert dieser Bauten hier im Park, weitere in den anderen Parks der Etset und sie wurden von den jugendlichen Tamanarii als Treffpunkte in ihren Freizeitaktivitäten genutzt.

 

 

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