Onistas Gesicht entspannte sich und sie fühlte sich erleichtert: „Ja, das kann ich“, und nach einer kurzen Pause: „Dann lass uns jetzt Essen. Das Menü müsste gleich fertig sein“ sagte sie und stand auf, um nach der Essenszubereitungseinheit zu sehen. Auf den Weg dorthin stahl sich ein glückliches Lächeln auf ihr Gesicht.

„Wie sieht deine Terminplanung für die nächsten Tage aus?“ fragte Charrut vom Tisch aus.

Onista seufzte, bevor sie antwortete: „Die LEKA, auf der ich momentan stationiert bin, startet morgen früh. Und wir werden erst in einigen Pragos zurück kommen. Und du?“

„Zwei Pragos haben wir noch Ausbildung, bevor wir am dritten Prago unsere Prüfungsergebnisse erhalten. Da bin ich schon sehr gespannt, wie ich abschneide. Und es hat sich hoher Besuch angekündigt: Es sollen drei Reichsadmiräle kommen und an der Abschlussfeier des letzten Jahrgangs teilnehmen.“

Charrut machte eine kurze Pause, bevor er fort fuhr: „Also werden wir uns in den nächsten Pragos nicht sehen, so wie ich es mir schon fast gedacht hatte“.

Wenige Paltortontas später kam sie mit dem Essen und Besteck auf einem Tablett zurück, stellte jedem einen Teller hin, setzte sich und sagte dann mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen: „Dann essen wir jetzt und machen uns einen angenehmen Abend, solange du bleiben kannst.“

Charrut sah sie vergnügt an: „Einverstanden.“

* * *

im Tarman 14.598 da Ark

Viele Berlenprags waren bereits vergangen, seit Charrut Onista in der düsteren Trinkhalle in Varynkor-Etset wiedergetroffen hatte. Ihre unterschiedlichen Aufgaben und Einsätze, sie in der Systemflotte von Varynkor, er in der Ausbildung auf der Raumakademie, ließen ihnen wenig Raum, gemeinsam Zeit zu verbringen. Oft blieben nur Nachmittage und Abende, die sie zusammen sein konnten.

Charrut hatte sich mit Onista in ihrer Wohnung verabredet. ‚Bringe bitte Zeit mit und ziehe dir etwas offizielles an‘, hatte sie ihm gesagt. ‚Wir werden heute Abend nicht zu zweit sein, sondern ausgehen‘. Mehr wollte oder konnte sie nicht sagen. Also hatte er sich umgezogen und sich eine seiner Ausgehuniformen der Akademie angezogen. Während er sich im Spiegel betrachtete und den Sitz der Ausgehuniform überprüfte, fühlte er wieder diesen Stolz; den Stolz, auf einer Militär-Akademie des Imperiums zu sein. Nicht nur, dass es schon eine Auszeichnung war, überhaupt auf Varynkor aufgenommen worden zu sein, sondern auch, dass er der erste ‚del Harkon‘ seit fast 1000 Votharii war, der wieder auf eine Raumakademie gehen durfte. Wenn damals nur nicht diese unsäglich degoutante Geschichte geschehen wäre. Immer wenn er daran dachte, musste er sich innerlich aufregen, weil es wie ein Fluch war, der auf dem Harkon-Khasurn lag.

‚Denke jetzt nicht daran, sondern an den angenehmen Abend, den du mit Onista verbringen wirst‘, rief er sich selbst zur Ordnung. Er hatte gegenüber Onista ein schlechtes Gewissen. ‚Verliebte sollten sich öfters etwas schenken‘ war ihm schon vor langer Zeit durch den Kopf gegangen, und das hatte er bisher sträflich vernachlässigt. Darum hatte er, als er von Harkon zurück nach Varynkor kam, ein Geschenk für sie mitgebracht, etwas, dass er sehr schätzte und dass er auf einer seiner Reisen vor langer Zeit gekauft hatte. Nachdem er das Geschenk verpackt hatte, machte er sich mit einem vergnügten Lächeln im Gesicht auf den Weg zu Onista.

Im 63. Stock sprang er aus dem Antigrav-Schacht und ging zu Onistas Wohnung, zu der er mittlerweile den Zugangscode erhalten hatte. Jetzt benutzte er ihn, um in die Wohnung zu gelangen. Als er den Aufenthaltsraum betrat, wartete sie bereits auf ihn.

Charrut blieb überrascht stehen. Der Anblick von Onista in einem Kleid war für ihn absolut neu. Onista erhob sich und ging Charrut ein Stück entgegen. Zwei Schritte vor ihm blieb sie stehen, blickte an sich herunter und fragte: „Gefällt es dir?“

„Ja, sehr. Es ist für mich nur ein absolut ungewohnter Anblick, dich in einem Kleid zu sehen. Laß dich ansehen…“

Onista drehte sich einmal um ihre Achse. Dann sah sie Charrut erwartungsvoll an. Charrut ließ ihren Anblick auf sich einwirken. Das hellgelbe, eng geschnittene Kleid betonte ihre Formen in vollendeter Weise. Es reichte fast bis zu den Knien und war mit fließenden bräunlich-silbernen Linien bedeckt, die Symbole darstellten. Charrut nickte anerkennend und erwiderte: “ Das Kleid passt hervorragend zu deinem Haar und deinen Augen. Du hast einen ausgezeichneten Geschmack. Einfach perfekt!“

Er sah, wie sie sich in einem Kleid drehte, das hellgelb und leicht bedeckt war mit fließenden, bräunlich-silbernen Linien, die Symbole darstellten. Charrut nickte anerkennend und erwiderte: “ Das Kleid schmeichelt dir und passt hervorragend zu deinem Haar und deinen Augen. Du hast einen ausgezeichneten Geschmack. Einfach perfekt!“

Onista schenkte ihm ein verliebtes Lächeln und wollte etwas sagen, aber Charrut kam ihr zuvor: „Warte!“ Er holte aus einer Tasche seiner Ausgehuniform das etwa 12 x 9 und 1 Paltorquar dicke Geschenk hervor und sagte, während er es Onista gab: „Ich weiß, dass ich dir schon vor langer Zeit hätte etwas schenken sollen, was meine Liebe zu dir ausdrückt, aber ich hatte nichts Vernünftiges gefunden. Und irgend etwas sollte es nicht sein, sondern etwas einmaliges. Aber als ich im letzten Vothan auf Harkon war, konnte ich es endlich mitbringen. Ich hoffe, dass es dir gefällt!“

Onista sah überrascht das Geschenk an und nahm es entgegen. Voller Vorfreude riss sie die Verpackung auf und hielt dann ein kleines Buch in den Händen.

„Ein richtiges Buch, aus echten Faraid. So etwas wird heute gar nicht mehr hergestellt, und wenn, dann sind diese Bücher unbezahlbar!“ erwiderte sie erstaunt.

Sie warf einen Blick auf den Titel: ‚Das unbeschwerte Herz und der lächelnde Himmel – Liebesgedichte und Reime‘ von Ash’nal de’tiga Etyphe (11347 da Ark). Vorsichtig öffnete sie das alte Buch und fand auf der ersten Seite eine handgeschriebene Widmung von Charrut: ‘Atome werden von der schwächsten Kraft zusammengehalten, das Universum von der stärksten – der Liebe‘.

„Ich weis gar nicht, was ich sagen soll. Das ist das schönste Geschenk, das ich jemals erhalten habe“. Bevor Charrut darauf antworten konnte, küsste ihn Onista leidenschaftlich.

„Wie kommt man an ein so kostbares Buch heran?“ fragte Onista.

„Vor ungefähr sieben Tai-Vothanii, als ich wegen dem Tod meines Bruders überhaupt nichts mehr vom Khasurn wissen wollte, suchte ich Trost auf verschiedenen Welten im Elimor-Sektor. Irgendwann landete ich in einer kleinen Hafenstadt auf Selekenan, deren Name mir nicht mehr einfällt, in einer Seitenstraße bei einem kauzigen Händler. In dessen Geschäft, unter allerlei Trödel, habe ich es gefunden. Ich wollte es schon achtlos zur Seite legen, als mir damals auffiel, dass es aus Faraid hergestellt war. Erst dadurch habe ich einen Blick hinein geworfen und war erstaunt, wie vor einigen tausend Tai-Vothanii gesprochen und geschrieben worden war, heute schon fast vergessen. Es hat mir sehr gefallen und darum wollte ich es unbedingt besitzen, erst nach hartem Feilschen mit dem Händler war das Geschäft perfekt gewesen. So bin ich zu diesem Buch gekommen“, beendete Charrut seine Geschichte.

Dala!“ stieß Onista erstaunt hervor. „Du musst mir unbedingt versprechen, mir mehr von deinem Khasurn und deinen Abenteuern zu erzählen“

„Das verspreche ich dir“, sagte Charrut.

„Jetzt müssen wir aber los, sonst wird es zu spät“ sagte Onista, nachdem sie einen Blick auf ihre Vottan geworfen hatte. Behutsam legte sie das kostbare Geschenk auf den Tisch im Aufenthaltsraum.

„Zu spät für was?“ fragte Charrut zurück, aber er erhielt nur ein verschwörerisches Lächeln als Antwort. Gemeinsam verließen sie Onistas Wohnung und schwebten hinunter zur Rohrbahn, die sie in Richtung Varynkor-Etset Zentrum bestiegen. Sie verließen die Rohrbahn im 7. Bezirk an der Station Valbaret und nahmen das Laufband nach oben. Der 7. Bezirk gehörte zum äußeren Stadtkern, war ein erhöhtes, eingebettetes Zentrum am Rande von Varynkor-Etset, ein Anlaufzentrum nobler Restaurants, elitärer Geschäfte und einiger wichtiger Stadtverwaltungsbereiche.

Während sie vom Ende des Laufbandes auf die Kreuzung sprangen und auf ein weiteres Laufband zusteuerten, das sie in eine breite Einkaufsstraße führte, fragte Charrut: „Wo wollen wir denn eigentlich hin?“ Charrut sah nur ein vergnügten Ausdruck in Onistas Gesicht und sagte kein Wort. Nach wenigen Paltortontas wechselten sie rechts auf das äußere Laufband, was kurz danach abbog, und vor einem Glasbau verließen sie beide das Laufband. Dort hatte sich, vor einem Eingang, eine kleine Traube von Arkii gebildet. Sie gesellten sich dazu. Charrut hatte Zeit, während sie nur langsam dem Eingang näher kamen, sich die Arkii anzusehen. Alle waren festlich gekleidet und aus den Gesprächsfetzen, die er mitbekam, kristallisierte sich heraus, dass sie sich eine Modenschau ansehen würden. ‚Vermutlich werde ich heute ihre Schwester kennenlernen, also kein Abend zu zweit‘, seufzte er innerlich. Als sie endlich den Eingang erreicht hatten, standen sie einem männlichen Arki gegenüber, der sie freundlich anlächelte und sagte: „Ihre Einladung, bitte!“

Onista holte aus einer versteckten Tasche ihres Kleides zwei Einladungskarten hervor, übergab sie dem Arki und sagte: „Für uns beide“ und deutete dabei auf Charrut und sich. Der Arki blickte Charrut an und als er das Symbol der Raumakademie Varynkor an der Uniform erkannte, wurde sein Gesichtsausdruck noch freundlicher. ‚Vermutlich kommt nicht sehr oft ein Thos’athor hierher‘, ging es Charrut durch den Kopf. Der Arki nahm die Karten an sich, fuhr mit einem fingergroßen Handscanner über die Karten und nachdem dieser zweimal grün aufleuchtete, gab er die Karten mit einem „Herzlich willkommen zu unserer Präsentation“ zurück.

Onista und Charrut durchschritten den Eingang und kamen nach wenigen Schritten in einen großen Empfangsraum, in der sich schon viele Arkii aufhielten. Stimmengewirr, untermalt von leiser Musik im Hintergrund, beherrschte die Atmosphäre. Charrut sah einige Roboter, die mit Getränken auf Tabletts umherschwebten und diese den anwesenden Gästen anboten.

Kurze Zeit später kam eine Frau auf sie zu: genauso schlank wie Onista, die selben Gesichtsmerkmale, nur dass ihre Augen ein sehr helles rot hatten und sie ihre Haare lang trug. Onista und die Frau begrüßten sich familiär.

Charrut verneigte sich leicht und sah dann Onista fragend an.

„Charrut, darf ich vorstellen, das ist meine Schwester Sidona“.

„Das ist also derjenige, der nun das Herz meiner Schwester erobert hat“, sagte Sidona freundlich und musterte ihn dabei.

„Ich hoffe es. Wir kannten uns bereits von einem früheren Einsatz, und als wir uns dann einmal zufällig getroffen hatten, war es um uns geschehen. Ein gemeinsamer Abend hat ausgereicht“, erwiderte Charrut und sah Onista lächelnd an.

„Onista hat so etwas angedeutet“, sagte Sidona.

„Ja, manchmal sind die Wege der She’Huhan unergründlich.“
„Gleich beginnt die Modenschau. Ich muss mich noch um einige Kleinigkeiten kümmern. Wir sehen uns dann zum Bankett!“ sagte Sidona, nickte nochmals Charrut zu, drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menge.