„Halt! Wie lange wird die operative Behandlung dauern?“ flüsterte sie.

„2 Tontas und 17 Paltortontas“, erwiderte der Roboter.

„Wecke mich nach spätestens vier Tontas!“ befahl sie dem Roboter flüsternd.

Ihre Zeit war kostbar, aber jetzt musste sie sich erstmal behandeln lassen, sonst würde jeder weitere Gedanke an ihre Zukunft verschwendet sein.

Kurz darauf spürte sie die Injektion und schlief ein.

* * *

Wie durch einen Nebel hörte sie eine Stimme, die etwas zu ihr sagte.

„… vier Tontas sind…“

Langsam setzten ihre Denkvorgänge wieder ein. Was war mit vier Tontas?

Zdhopandel, sie wollten nach vier Tontas geweckt werden“, sagte der Medikrobot, der neben ihr stand.

Sie schlug die Augen auf. Ja, richtig, der Kampf gegen den Attentäter, der sie eliminieren sollte, ihre Verletzung.

„Hilf mir, mich aufzurichten“, befahl sie dem Roboter. Kurz darauf saß sie auf dem Untersuchungstisch.

Zdhopandel, Sie sollten sich ausruhen und schlafen. Ihre Verletzungen wurden behandelt.“

Am Boden vor dem Untersuchungstisch sah sie noch die Blutspur, die von ihr stammte.

Sie ließ sich vom Tisch gleiten und ging langsam in Richtung Zentrale ihres Stützpunkts. Sie fühlte zwar keine Schmerzen, aber eine große Schwäche in ihr.

In der Zentrale setzte sie sich vorsichtig in den Sessel und schloss die Augen. Was sollte sie tun? Sie hatte keine Bekannten und Freunde, an die sie sich wenden konnte. Das Leben eines Auftragskillers war einsam. Und doch musste sie untertauchen, von der Bildfläche verschwinden, für die Organisation nicht mehr erreichbar sein. An wen konnte sie sich also wenden?

Sie zermarterte sich das Gehirn, aber letztendlich fiel ihr nur eine Person ein, die ihr vielleicht helfen konnte: dieser Adelige Namens Charrut del Harkon, der den Absturz überlebt hatte. Aber warum sollte er ihr helfen? Und konnte er ihr überhaupt helfen? Seine Freundin, die Schwester der Zielperson, war bei dem Gleiterabsturz ums Leben gekommen, er verletzt worden. Er hatte keinen Grund, ihr auch nur im Entferntesten zu helfen. Eher noch, dass er sich rächen wollte. Aber als Adliger würde er oder sein Khasurn über die finanziellen Mittel und Möglichkeiten verfügen, ihr helfen zu können. Wie also konnte er dazu gebracht werden, ihr zu helfen? Sie musste ihm alle Informationen anbieten, die sie besaß. Dann würde sein Fokus nicht mehr auf ihr liegen, sondern auf dem Auftragsgeber des Attentats, selbst wenn es nur ein Mittelsmann war. Er würde so schlau sein, eins und eins zu addieren und auf den eigentlichen Auftraggeber kommen.

Sie musste schnell handeln, denn ihr zeitlicher Spielraum wurde immer knapper…

„Positronik, suche im Netz nach einem Charrut del Harkon. Ermittle seine COM-IDs sowie alle relevanten Informationen seines Khasurns: Sitz des Khasurns, Vermögenswerte, Verwandtschaftsverhältnisse usw. Zugriff gestattet auf Sperrprogramm SCAN23-3. Höchste Priorität!“ befahl sie.

Danach stand sie auf, um sich zu duschen und etwas Frisches anzuziehen.

* * *

Als sie nach ungefähr einer halben Tonta wieder in der Zentrale erschien, standen mehrere COM-IDs von Charrut del Harkon auf dem Hauptterminal: das seines Khasurns, seines Armbandkommunikator, seiner privaten KSOL, sogar dessen Terminalanschluss auf Varynkor.

„Positronik, übermittle folgende Nachricht in Textform an die COM-ID des Armbandkommunikators von Charrut del Harkon„, sagte sie in den Raum hinein.

„Bereit zur Übermittlung!“ erwiderte die Positronik.

„Übertrage diesen Text: Sind sie an den Umständen des Todes ihrer Verati interessiert?“

„Nachricht in Textform wurde gesendet!“ bestätigte die Positronik.

Jetzt konnte sie nur noch warten und hoffen, dass dieser Charrut del Harkon anbiss. Aber sie rechnete sich recht gute Chancen aus.

In der Zwischenzeit musste sie ihr Vermögen auf die Seite schaffen, das Schiff startklar machen und den Stützpunkt zur Vernichtung vorbereiten, um alle Spuren zu verwischen.

* * *

Es war mitten in der Nacht. Seit dem Tod von Onista waren einige Pragos vergangen. Er schlief seither nur noch unruhig und wachte von Zeit zu Zeit auf, ihm gingen zu viele Gedanken durch den Kopf. Immer wenn er die Augen schloss, sah er Onista vor seinem geistigen Auge: wie sie gelacht hatte, wie sie ihn mit ihren tiefblauen Augen fasziniert hatte, wie er sie geliebt hatte. Darum war er sofort hellwach, als sein Armbandkommunikator ihm eine eingehende Nachricht signalisierte. Er nahm ihn zur Hand und rief die Nachricht ab.

Auf dem Display erschien der Text: „Sind sie an den Umständen des Todes ihrer Verati interessiert?“

Er glaubte nicht, was er las. Er musste es ein zweites Mal lesen. Ruckartig setzte er sich auf, in seinem Kopf schrillte eine Armada von Alarmglocken. Hatte ihn sein Gefühl direkt nach dem Absturz doch nicht getrogen? Es war also doch kein wie auch immer geartetes Zusammentreffen unglücklicher Umstände, die zum Ausfall aller positronischen Systeme von Sidonas Sportgleiter geführt hatten?

Natürlich wollte er es wissen, jetzt erst Recht. Wer aber konnte die Person sein, die ihm diese Nachricht zukommen ließ? Irgendein Techniker, der den Auftrag hatte, die positronischen Komponenten des Wracks im Labor zu untersuchen und eventuell etwas gefunden hatte? Nein! Er verwarf gleich darauf wieder den Gedanken. ER war direkt angesprochen worden und nicht über die Sicherheitskräfte von Varynkor! Die rätselten noch immer, warum der Gleiter abstürzen konnte.

Charrut stand auf und holte seine private KSOL, die im Schrank lag und die er von Harkon mitgebracht hatte, heraus. Er schloss seinen Armbandkommunikator an die KSOL und aktivierte sie. Seine Finger flogen über die Sensorfelder der KSOL und tippten Befehle ein. Danach legte er beide Geräte zur Seite und wartete. Er ließ den Weg der Nachricht zurückverfolgen. Zumindest hoffte er, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein würden. Jedes Gerät im Tai Ark’Tussan hatte eine einmalige COM-ID-Kennummer. Zwar gab es Techniken, die versuchten, die COM-ID zu verschleiern, aber dann war es noch immer möglich, den ungefähren Standort zu lokalisieren, von wo aus sich das entsprechende Gerät in die Hyperkom-Sphäre eingebucht hatte.

Nach einiger Zeit gab die KSOL ein Signal von sich, dass die Aufgabe erledigt war. Er hob die KSOL an und ließ sich die Information zeigen. Wie er befürchtet hatte, standen auf dem Display Zeichen, die niemals eine originäre COM-ID sein konnte.

‚Also wird versucht, die COM-ID zu vertuschen‘, ging es ihm durch den Kopf. Aber vielleicht konnte er zumindest einkreisen, von wo aus die Nachricht gesendet worden war. Dazu musste er allerdings die Nachricht beantworten.

Seufzend tippte er die Antwort auf seiner KSOL ein: „Selbstverständlich. Was bieten Sie?“

Nachdem er die Nachricht abgesendet hatte, tippte er wieder Befehle auf seiner KSOL ein und wartete wieder.

Wenige Palbertontas später erfuhr er den Weg, den die Nachricht genommen hatte: von seinem Armbandkommunikator über diverse Zwischenstationen bis zur letzten Relaisstation im Sektor Kendarkos, mehr als 4000 Lichtjahre entfernt.

‚Mehr als 4000 Lichtjahre entfernt!‘ murmelte er zu sich selbst. Er war einigermaßen überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.
‚Damit scheiden fast alle anderen Punkte aus‘, sagte er sich in Gedanken. Unbewusst knirschte er mit den Zähnen und ballte seine Hände zu Fäusten.